Die Wechselbezüglichkeit der Einsetzung in einem gemeinschaftlichen Testament von Ehegatten und deren Verhältnis zu Verfügungen unter Lebenden gibt immer Anlass zur Auslegungs Wechselbezüglich sind grundsätzlich diejenigen Verfügungen, die ein Ehegatte gerade deshalb getroffen wurde, weil auch der Partner eine bestimmte andere Verfügung getroffen hat, wenn also nach dem Willen der gemeinschaftlich testierenden die eine Verfügung mit der anderen stehen und fallen soll. Im vom OLG entschiedenen Fall ging es um die Schlusserbeinsetzung der gemeinsamen Tochter. Das OLG hat hier Wechselbezüglichkeit angenommen. Die Erblasser hatten allerdings im Satz vor der Schlusserbeinsetzung die Berechtigung des Überlebenden zur freien Verfügung über den Nachlaß bestimmt. Das OLG legte diese Regelung dahingehend aus, dass es bei der Wechselbezüglichkeit hinsichtlich der Einsetzung nach dem Längstlebenden bleibt, der Überlebende aber zu Lebzeiten frei verfügen kann.
Das Oberlandesgericht bezeichnet es zunächst als "allgemeine Meinung", dass gemäß § 2270 Abs. 1 BGB jede einzelne Verfügung im Verhältnis zu den einzelnen anderen Verfügungen im Hinblick auf die Frage untersucht werden muss, ob anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen worden ist. Für den klassischen Fall des Berliner Testaments wird vom OLG unter Bezugnahme unter anderem auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs in NJW 2002, 1126, 1127 angenommen, dass die jeweilige Erbeinsetzung der Kinder der Erblasser als Schlusserben und die jeweilige Einsetzung des Ehepartners zum Alleinerben nach dem Erstversterbenden im Verhältnis der Wechselbezüglichkeit stehen können. Die Annahme einer Wechselbezüglichkeit bei einer diesbezüglichen Regelung wird vom OLG damit begründet, dass die Enterbung des gemeinsamen Kindes durch den Erstversterbenden nur im Hinblick darauf in Kauf genommen wird, dass das gemeinsame Kind vom Längstlebenden als Schlusserbe eingesetzt wird und so beim zweiten Todesfall am Familienvermögen teilhaben kann. Interessant sind die Ausführungen des OLG zu der Frage, wie es sich mit dem Hinweis der Erblasser im Testament verhält,
"dass der Überlebende von uns berechtigt ist, frei und unbeschränkt über den Nachlass zu verfügen."
Das Oberlandesgericht hat hier darauf abgestellt, dass es sich um ein privatschriftliches gemeinschaftliches Testament gehandelt habe, also ein "Laientestament". Gemeint sei mit dieser Formulierung, dass der überlebende Ehegatte über das ererbte Vermögen und sein eigenes Vermögen zu Lebzeiten so verfügen können sollte, wie er es wolle. Gemeint sei aber nicht, dass der Erblasser anderweitig testieren könne.
Das OLG führt wörtlich aus: "Vielmehr stellen auch lebzeitige Verfügungen über aus dem Nachlass des Erstversterbenden stammende Nachlassgegenstände im laienhaften Sprachgebrauch Verfügungen über den ,Nachlass‘ dar." Die im gemeinschaftlichen Testament verwendete Formulierung hat das OLG demnach dahingehend ausgelegt, dass der Erblasser zwar zu Lebzeiten berechtigt war, über das gesamte vormalige Vermögen der Ehegatten zu verfügen, nicht jedoch dazu, eine anderweitige testamentarische Verfügung zu errichten. Bedeutend für die Entscheidung des OLG war auch die Tatsache der Reihenfolge der diversen Verfügungen im Testament.
Der Hinweis auf die Verfügungsmöglichkeiten des überlebenden Ehegatten befindet sich vor der Einsetzung der Tochter zur Schlusserbin. Hieraus leitet das OLG ab, dass keine Möglichkeit der Abänderung oder Beschränkung der Schlusserbeneinsetzung gewollt war.
Die Wechselbezüglichkeit erstreckt sich im Übrigen nach Ansicht des Oberlandesgerichts Köln auch auf die Frage, ob wirksam durch ein Einzeltestament eine Testamentsvollstreckung angeordnet werden kann.
Das OLG Köln vertritt in Übereinstimmung mit diversen anderen Entscheidungen die Auffassung, dass die erstmalige Anordnung einer Testamentsvollstreckung ebenfalls eine unwirksame beeinträchtigende Verfügung darstellt.
Beatrix Mettlach-Plutte, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Erbrecht, Leverkusen
ZErb 4/2014, S. 118 - 119