Leitsatz
Die in § 2057 BGB normierte Auskunftspflicht erstreckt sich auf sämtliche Zuwendungen, welche potenziell gemäß den §§ 2050 ff BGB auszugleichen sein können. Dies betrifft auch solche Zuwendungen, bei denen im Schenkungsvertrag eine Gleichstellung unter den Beschenkten erfolgte. Soweit die Zuwendung im Rahmen der Erteilung einer Auskunft unerwähnt bleibt, rechtfertigt dies die Besorgnis, dass die Auskunftserteilung nicht mit der erforderlichen Sorgfalt erstellt wurde und begründet somit die Verurteilung zur Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit der erteilten Auskünfte an Eides statt.
AG Bingen am Rhein, Urteil vom 7. November 2014 – 21 C 121/13
Sachverhalt
Gegenstand der Klage ist ein Auskunftsanspruch unter Miterben. Die Parteien des Rechtsstreites sind Geschwister und gesetzliche Erben zu je 1/4, neben dem im Zeitpunkt des Todes der Erblasserin, Frau (...) mit dieser in rechtsgültiger Ehe verheirateten und in Zugewinngemeinschaft lebenden Vater der Parteien, dessen Erbteil 1/2 beträgt. Erstmals mit Schriftsatz vom 8.10.2012 (...) forderte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Beklagte mit Fristsetzung zum 26.10.2012 auf, Auskunft über Schenkungen und sonstige ausgleichungs- und anrechnungspflchtige Zuwendungen der Erblasserin zu erteilen. Hierauf antwortete die Beklagte mit Schreiben vom 25.10.2012 (...): "Schenkungn und sonstige Ausgleichungs- uns anrechnungspflichtige Zuwendungen habe ich von meiner Mutter nicht erhalten. Lediglich im Jahr 1984 habe ich zusammen mit meinem damaligen Ehemann (...) von meinen Eltern 100.000,00 DM erhalten, also ich 50.000,00 DM und (...) 50.000,00 DM. Das Geld stammte nach meiner Auffassung allein von meinem Vater, denn meine Mutter hatte keine eigenen Einkünfte …" Unerwähnt ließ die Beklagte, dass sie und ihr damaliger Ehemann laut notariellem Schenkungsvertrag vom 7.9.1984 (Ur.-Nr. [...]) von der Erblasserin und deren Ehemann einen Bauplatz in der (...) in (...) geschenkt erhalten hatte. Mit anwaltlichem Schreiben vom 14.5.2013 [..] fordere die Klägerin die Beklagte deshalb auf, die von ihr erteilten Auskünfte im Hinblick auf Richtigkeit und Vollständigkeit eidesstattlich zu versichern Nach anfänglicher Bereitschaaft hierzu ließ die Beklagte das Ansinnen der Klägerin mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 25.6.2013 (...) zurückweisen. Während des Rechtsstreits hat die Beklagte ihre Auskunft auch auf die Schenkung des Baugrundstücks erstreckt.
Die Klägerin trägt vor: Es bestehe die Vermutung, dass die Beklagte von der Erblasserin erhebliche Geldzuwendungen anlässlich der Bebauung des zuvor geschenkten Bauplatzes und der Rückführung der dies betreffenden Bankdarlehen erhalten habe.
Die Klägerin beantragt zuletzt, die Beklagte zu verurteilen, zu Protokoll an Eides statt zu versichern, dass sie die Auskünfte vom 25.10.2012 und vom 21.3.2014 nach bestem Wissen so vollständig erteilt hat, als sie dazu imstande war, und zwar in Bezug auf die Auskunft über sämtliche Zuwendungen, welche sie von Seiten der am 7.3.2010 verstorbenen Erblasserin, (...), erhalten hat, und was ihr über den Wert des Erhaltenen bekannt ist, insbesondere welche Umstände ihr bekannt sind, die eine Wertberechnung ermöglichen und welche Umstände ihr bekannt sind, die für oder gegen eine Augleichungspflicht nach den §§ 2050 ff BGB sprechen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte ist der Ansicht, das Verlangen auf eidesstattliche Versicherung, dass sie die Auskünfte vom 25.10.2012 und vom 21.3.2014 nach bestem Gewissen so vollständig erteilt habe, als die dazu imstande gewesen sei, sei rechtsmissbräuchlich. Die Klägerin habe ihrerseits schon mehr an ausgleichungspflichtigen Zuwendungen erhalten, als ihr nach ihrer Erbbeteiligung zustehen würde. Im Übrigen könne sie nicht zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung über die Vollständigkeit und Richtigkeit abgegebener Auskünfte verurteilt werden, die von der Gegenseite bestritten und angezweifelt würden. (...)
Aus den Gründen
Die zulässige Klage ist begründet. Die Beklagte ist nach den §§ 2057 Abs. 2, 260 Abs. 2 BGB verpflichtet, an Eides statt zu versichern, dass sie die Auskünfte vom 25.10.2012 und 21.3.2014 nach bestem Wissen so vollständig erteilt hat, als sie dazu imstande war. Die von ihr abzugebende eidesstattliche Versicherung bezieht sich auf sämtliche Zuwendungen, welche sie von der verstorbenen Erblasserin, Frau (...), erhalten hat sowie auf die eine Wertberechnung und eine möglche Ausgleichspflicht nach § 2056 BGB betreffenden Umstände.
Die Beklagte ist gemäß § 2057 Abs. 1 BGB als Miterbin gegenüber der miterbenden Klägerin auskunfstpflichtig. Die Klägerin ist möglicherweise ausgleichungsberechtigt nach dem Tod der gemeinsamen Mutter, der Erblasserin (...). Die Auskunftspflicht umfasst alle Zuwendungen, die potenziell unter die Ausgleichungspflicht nach §§ 2050 ff BGB fallen können, nicht nur bei richtiger Anwendung der §§ 2050 bis 2053 ausgleichungspflichtig sind. Die Entscheidung, welche Zuwendungen in Frage kommen, kann nicht dem B...