Heute ist ein erweiterter Anwendungsbereich sowohl in der Literatur als auch der Rechtsprechung anerkannt. Es wird nämlich angenommen, dass der Gleichzeitigkeitsbegriff regelmäßig auch dann erfüllt sein kann, wenn die Ehegatten zeitlich versetzt versterben.
Zur Begründung für diese Auslegung wird zum einen angeführt, in der Regel könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Ehegatten ihre Verfügung nur für den unter C. I. dargestellten und äußerst seltenen Fall treffen, ihr folglich nur einen extrem geringen Anwendungsbereich geben wollten. Gleichermaßen als Begründung wie auch als Grenze der erweiternden Auslegung erweist sich die in Rechtsprechung und Literatur getroffene Aussage, entscheidend sei, ob es dem längerlebenden Ehegatten in der Zeit nach dem Tod des Erstversterbenden noch möglich war zu testieren bzw. das Erbe anzutreten. Das Abstellen auf die Testiermöglichkeit des Längerlebenden ist im Hinblick auf den durch die Testamentsgestaltung regelmäßig verfolgten Zweck, nämlich die Erhaltung der Wahlfreiheit des Längerlebenden, ob und wie er nach dem Tod des Erstversterbenden testieren möchte, konsequent. Denn fehlt es an der Testiermöglichkeit, liegt keine Wahlfreiheit vor und die Lage stellt sich insoweit dar, als wären die Ehegatten tatsächlich im selben Augenblick verstorben.
Die genaue Reichweite der erweiterten Begriffsauslegung ist freilich unklar. Meist wird wohl an Fälle gedacht, in denen der zeitlich versetzte Tod der Ehegatten auf dem gleichen (Unfall-) Ereignis oder zumindest gemeinsamen Willensentschluss beruht, teilweise jedoch auch an zwei aufeinander folgende natürliche Todesfälle, wobei offenbar jeweils vorausgesetzt wird, dass der längerlebende Ehegatte innerhalb einer kurzen Zeitspanne nachverstirbt. Nimmt man die für die erweiterte Auslegung gegebene Begründung, die fehlende Möglichkeit des Längerlebenden zu einer erneuten Testierung, ernst, dürfte es jedoch zum einen keine zeitlichen Maximalgrenzen geben und zum anderen auch nicht auf ein gleiches Ereignis ankommen, sondern lediglich darauf, ob der Zweitversterbende noch die Möglichkeit hatte, zu testieren. Problematisch ist und bleibt aber jedenfalls die Beantwortung der daran anknüpfenden Frage, wie lang der Zeitraum beschaffen sein muss, zu dem es dem Überlebenden möglich ist, zu testieren. Ob es darauf ankommen soll, dass ihm noch Zeit und Möglichkeit zur Errichtung eines Nottestaments bleiben soll oder ob erforderlich ist, dass er sich noch rechtlichen Rat einholen oder ein sogar notarielles Testament errichten kann, wird bislang – soweit ersichtlich – nicht diskutiert und kann in Einzelfällen sicherlich zu erheblicher Rechtsunsicherheit sowie Rechtsstreitigkeiten führen.