Unter Gliederungspunkt A. wurde dargestellt, dass die Folgen einer gegenseitigen Erbeinsetzung, kombiniert mit einer Gleichzeitigkeitsklausel, auf den ersten Blick eindeutig wirken, da sich die Anordnungen gegenseitig auszuschließen scheinen.
Geht man davon aus, dass mit dem Tod des Zweitversterbenden feststeht, dass ein gleichzeitiges Versterben in diesem Sinne vorliegt, müsste daher im Hinblick auf das Ausschließlichkeitsverhältnis der beiden Verfügungen die gegenseitige Erbeinsetzung der Ehegatten vollständig obsolet sein und nur der Dritte als (Voll-)Erbe beider Ehegatten berufen sein.
Bei Annahme einer solchen kategorischen Ausschlusswirkung der beiden Verfügungen wäre jedoch unklar, wie die erbrechtliche Lage in der Phase zwischen den beiden Todesfällen zu beurteilen sein soll. Denn der Längerlebende könnte nach dem Gesagten letztlich nicht zum Vollerben berufen sein. Ihn zuerst als testamentarischen Vollerben zu behandeln und dann bei seinem Tod rückwirkend seine Erbenstellung vollkommen entfallen zu lassen, führte – abgesehen von der dogmatischen Schwierigkeit und davon, dass dann entgegen dem Exklusivitätspostulat letztlich doch beide Verfügungen zumindest vorübergehend angewandt würden – zu Problemen hinsichtlich zwischenzeitlich eingetretener Rechtsfolgen. Zudem würde sich diese Betrachtung nicht in die anerkannte Behandlung von unter einer auflösenden Bedingung stehenden Erbenstellung einfügen (siehe dazu sogleich). Der in der Gleichzeitigkeitsanordnung Bedachte kann in der Zwischenphase jedoch keinesfalls schon als Erbe des Erstversterbenden angesehen werden. Denn zum einen setzt der Fall des "gleichzeitigen Versterbens," für den der Dritte zum gewillkürten Erben berufen ist, zumindest den Tod beider Testierender voraus. Zum anderen kann es in der Schwebephase aus der ex-ante-Perspektive unklar sein, ob der Längerlebende noch die Möglichkeit zu einer Testierung haben wird, etwa weil unsicher ist, ob er aus einem Koma für eine ausreichende Zeitspanne erwachen und wieder testierfähig sein wird. Die gesetzliche Erbfolge kann schließlich sinnvollerweise auch nicht (auch nicht nur vorübergehend) eintreten, da klar ist, dass eine der testamentarischen Verfügungen eingreifen wird. Es ist allerdings nicht denkbar, dass der Erstversterbende nach seinem Tod für eine – unter Umständen erhebliche Zeit – objektiv erbenlos ist.
Daher ist der vom OLG Stuttgart in einer Entscheidung aus dem Jahr 1993 eingeschlagene Weg überzeugend. Hiernach tritt in einem solchen Fall eine bedingte Vollerbschaft des überlebenden Ehegatten und eine bedingte Nacherbschaft des Dritten hinsichtlich des Erstversterbenden ein. Bezüglich des Todes des Längerlebenden ist der Dritte testamentarisch als Vollerbe berufen. Dieses Verständnis verhindert die eben aufgezeigte erbenlose Phase. Weiterhin ist allgemein anerkannt, dass beim Vorliegen einer auflösenden Bedingung die betroffenen Personen als Vor- und Nacherben zu behandeln sind. Auch beim Vorliegen einer Wiederverheiratungsklausel wird auf diese Weise verfahren. Letztlich ist die Lage hier vergleichbar: Der Ehegatte wird unter der Bedingung als Erbe eingesetzt, dass er nicht "gleichzeitig" verstirbt. Gegen dieses dogmatische Vorgehen könnte zwar sprechen, dass die Ehegatten (auch laienhaft) kaum daran gedacht haben werden, dass es zu einer Vor- und Nacherbenfolge kommen könnte; vielmehr werden sie von einem absoluten Ausschließlichkeitsverhältnis der zwei Verfügungen ausgegangen sein. Dieses Exklusivitätsverhältnis wird mit der Annahme einer Vor- und Nacherbfolge freilich teilweise aufgegeben. Doch lässt sich dies damit rechtfertigen, dass nur auf diese Weise dem tatsächlichen Willen der Erblasser weitgehend zur Durchsetzung verholfen werden kann. Insoweit erscheint es im Gleichlauf mit der herrschenden Ansicht zur Wiederverheiratungsklausel näherliegend, nicht von einer auflösend bedingten Vor- und aufschiebend bedingten Vollerbschaft, sondern von einer auflösend bedingten Voll- und aufschiebend bedingten Vorerbschaft auszugehen.