Soweit es um den Erbschein des längerlebenden Ehegatten als Voll- oder als Vorerbe des Erstverstorbenen geht, stellt sich die Lage wie folgt dar:
Wenn man die Gleichzeitigkeitsformulierung als aufschiebend bedingte Vor- und Nacherbfolge auslegt (siehe oben C. II. 2. a ), ist im Erbschein nach § 2263 Abs. 1 BGB die Anordnung einer Nacherbfolge anzugeben, wobei dies auch für eine bedingte Anordnung gilt. Aus diesem Grund müsste im Erbschein für den längerlebenden Ehegatten bei Vorlage einer Gleichzeitigkeitsformulierung ein Nacherbenvermerk grundsätzlich immer aufgenommen werden. Problematisch ist insoweit, dass hierbei auch anzugeben ist, wann der Nacherbfall bzw. die Bedingung eintritt. Dies ist, wie gesehen, nicht immer eindeutig zu fassen, möchte man sich nicht auf die Angabe beschränken, der Nacherbfall trete bei "gleichzeitigem" Versterben ein. Freilich ist anzumerken, dass sich das Problem in vielen Fällen überhaupt nicht stellt: Ist der Längerlebende nach dem Tod des Erstversterbenden bei Bewusstsein und in der Lage, selbst einen Erbschein für sich zu beantragen (§ 2325 BGB), kann davon ausgegangen werden, dass er auch in der Lage wäre, zu testieren. Dies hat zur Folge, dass ein Gleichzeitigkeitsfall nicht mehr eintreten kann. Steht zum Zeitpunkt der Beantragung des Erbscheins jedoch fest, dass der Nacherbfall nicht mehr eintreten kann, ist er nicht mehr im Erbschein zu erwähnen. Ebenso unproblematisch ist die Konstellation, in welcher der Längerlebende zu seinen Lebzeiten keinen Erbschein beantragt und ein solcher auch nicht für ihn durch einen Vertreter beantragt wird. Denn wird nach seinem Tod ein Erbschein für ihn beantragt, stehen die tatsächlichen Umstände fest; somit ist – abgesehen von den Auslegungsschwierigkeiten, welche tatsächlichen Begebenheiten den Gleichzeitigkeitsbegriff erfüllen, s. o. – klar, ob Gleichzeitigkeit und damit eine Vor- oder eine Vollerbschaft des Längerlebenden vorlag. Dies kann dann bei der Erteilung des Erbscheins berücksichtigt werden. Zu den oben dargelegten Problemen hinsichtlich der Angaben im Erbschein führt daher nur die Konstellation, in welcher der Längerlebende gehindert ist – etwa aufgrund einer dauernden Bewusstlosigkeit – einen Erbschein selbst zu beantragen und ein Vertreter einen solchen für den Längerlebenden beantragt und zu dieser Zeit noch nicht sicher ist, ob der Längerlebende seine Testierfähigkeit für eine ausreichende Zeitspanne wieder erlangen oder vorher versterben wird.
Soweit der Erbschein des (möglichen) Nacherben infrage steht, ist zu berücksichtigen, dass dieser ihn erst nach Eintritt des Nacherbfalls, also frühestens nach dem Tod des Zweitversterbenden, beantragen kann. Wie aufgezeigt steht dann jedoch objektiv fest, ob überhaupt eine Vor- und Nacherbfolge eingetreten ist.