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Die Frage der Sicherstellung der Betreuung und Versorgung pflegebedürftiger Menschen ist als Thema zum öffentlichen Interesse geworden, weil die demografische Entwicklung zeigt, dass die Lebenserwartung allgemein ansteigt. Damit verlängert sich sowohl der Zeitraum, in dem sich ein Pflegefallrisiko realisieren kann, als auch die Dauer einer möglichen Hilfs- und Pflegebedürftigkeit.
2 I.
Einleitung
Weite Teile der älteren Bevölkerung versuchen, mit diversen Vertragsgestaltungen, eine mögliche zukünftige Pflegesituation im häuslichen Umfeld sicherzustellen. Eine dieser Möglichkeiten stellt der, mit einer Wart- und Pflegeverpflichtung gekoppelte, Übergabevertrag dar. Dieser Vertrag zielt auf die Sicherstellung der Hilfe- und Pflege im Alter ab, beinhaltet aber zugleich ein erhebliches Streitpotenzial.
So entbrennen gerade bei der Frage der Bewertung der im Übergabevertrag übernommenen Wart- und Pflegeverpflichtungen immer wieder heftige Diskussionen im Rahmen von anstehenden Erbauseinandersetzungen oder bei Streitigkeiten der Vertragsparteien untereinander.
Dass die Leistungen in Erfüllung einer Wart- und Pflegeverpflichtung, aber auch die bloße Verpflichtung diese erforderlichenfalls zu erbringen, an sich schon einen Wert darstellen, ist offenkundig. Dennoch fehlen nachvollziehbare gesetzliche Bewertungsgrundlage oder eine einheitliche Rechtsprechung.
II. Neues, differenziertes Bewertungsmodell
Ein neues, differenziertes Bewertungsmodell löst die Frage, was eine Wart- und Pflegeverpflichtung überhaupt wert ist, anhand eines Paradigmenwechsels.
Das Bewertungsmodell überträgt den Gedanken der ersparten Aufwendungen auf die Wart- und Pflegeverpflichtungen. Es erfolgt eine Abkehr von der Betrachtung der meist sehr einzelfallbezogenen und stark divergierenden Wart- und Pflegeleistungen selbst. Vielmehr wird die Frage gestellt, welcher Fremdaufwand hätte extern eingekauft werden müssen, wenn sich niemand im privaten Umfeld gefunden hätte, die Wart- und Pflegeverpflichtung zu übernehmen. Zu betrachten ist also nicht der Wert der tatsächlichen privaten Leistung, sondern die eingetretene Ersparnis einer externen Fremdleistung durch diese private Leistungsverpflichtung. Dies erlaubt eine mehr pauschale und abstrakte Herangehensweise sowie den Rückgriff auf statistisches Zahlenmaterial des statistischen Bundesamtes zur Pflege im Rahmen der Pflegeversicherung.
Das Grundgerüst des Bewertungsmodells ist dabei die Multiplikation eines am Alter und Geschlecht des Übergebers ausgerichteten Vervielfältigers als Kapitalisierungsfaktor, mit einem angemessenen Jahres- oder Monatsbeitrag für die Wart- und Pflegeverpflichtung.
Im Rahmen der Analyse hat es sich als günstig erwiesen, für den Kapitalisierungsfaktor des neuen Bewertungsmodells ebenfalls die Vervielfältiger aus der Tabelle des BMF zu § 14 BewG zu übernehmen, wie dies schon in etlichen bisherigen Bewertungsansätzen aus Rechtsprechung und Literatur der Fall ist. Diese Vervielfältiger haben den Vorteil, dass sie mit der Ausrichtung auf die übliche Lebenszeit (typischen Lebenserwartungszeitraum) eines Übergebers und der geschlechtsspezifischen Unterscheidung, den Risikocharakter der Wart- und Pflegeverpflichtungen abbilden können, sowie einen Abzinsungsfaktor einrechnen.
Für den angemessenen Beitrag für die Wart- und Pflegeverpflichtungen wurden die Kosten für ein betreutes Wohnen oder ein Heim als Ersparnisbetrag herangezogen.
Die nachfolgenden Ausführungen stellen die Bewertungsberechnungen anhand des Bewertungsmodell, aktualisiert auf der Basis der statistischen Werte von 2011, vor.
Dabei stammen die Basiszahlen aus folgenden drei Tabellen der Pflegestatistik des Statistischen Bundesamtes – Pflege im Rahmen der Pflegeversicherung: (1) Vergütung der vollstationären Dauerpflege aus "Ländervergleich – Pflegeheime", (2) Pflegebedürftige nach Pflegestufen – absolut – zum Jahresende aus "Ländervergleich – Pflegebedürftige" und (3) Alter und Pflegequote aus "Deutschlandergebnisse". Aus diesen Pflegestatistiken ergeben sich zum einen die aktuellen, durchschnittlichen Kosten für Heimpflege, aufgegliedert nach den jeweiligen Bundesländern und den jeweiligen Pflegeklassen. Zum anderen ergibt sich die Verteilung der Pflegebedürftigen in Deutschland auf die einzelnen Pflegestufen. Zuletzt lässt sich aus der Pflegestatistik entnehmen, wie hoch der prozentuale Anteil an Pflegebedürftigen nach Geschlecht und in bestimmten Alterskorridoren ist.
Für die Aktualisierung des Bewertungsmodells werden nach Vorgabe der Untersuchungen aus der Dissertation, das statistische Zahlenmaterial mithilfe anerkannter Berechnungsmethoden extrapoliert, ausgewertet, ergänzt und Lücken durch aktuelle Preisrecherchen geschlossen. Schlussendlich kann dann die eigentliche Bewertung anhand von zwei so weiterentwickelten Tabellen, "Erspa...