Wie das deutsche Kapitalgesellschaftsrecht, und anders als das deutsche Stiftungsrecht kennt das materielle liechtensteinische Stiftungsrecht, schließlich die Möglichkeit des Haftungsdurchgriffs auf die Hintermänner einer juristischen Person. Dies soll insbesondere möglich sein, wenn die durch die Institution der rechtsfähigen Stiftung eröffnete Möglichkeit der Verselbstständigung von Vermögen dazu missbraucht wird, zulasten Dritter Gesetze zu umgehen. Das Stiftungsvermögen wird in diesem Fall nicht der Stiftung, sondern dem Stifter zugerechnet. Der Gründer muss das Rechtsinstitut der Stiftung in missbräuchlicher Absicht einsetzen. Allein die zweckwidrige Verwendung der juristischen Person rechtfertigt noch keinen Durchgriff. Der liechtensteinische StGH hat daher das Urteil des liechtensteinischen OGH v. 7.3.2002 für verfassungswidrig erklärt, weil die zulässige Einräumung von Interventions- und Gestattungsrechten zugunsten des Stifters allein noch keinen Rechtsmißbrauch indiziere.
Unter Berufung auf diese Rechtsprechung ließ das OLG Düsseldorf den Durchgriff der Gläubiger eines deutschen Stifters auf an sich einer von diesem errichteten liechtensteinischen Stiftung übertragenes Vermögen zu. Im zugrundeliegenden Sachverhalt hatte ein 81-jähriger deutscher Stifter eine liechtensteinische Stiftung errichtet und sich zu Lebzeiten zum alleinigen Erstbegünstigten eingesetzt. Dabei behielt er sich im Statut gewisse Eingriffs- und Änderungsrechte vor. Das Stiftungsvermögen bestand im Wesentlichen aus Vermögenswerten, die vor den deutschen Steuerbehörden verschleiert worden waren. Unter Hinweis auf die mit der Stiftung bezweckte Steuerhinterziehung hielt das OLG Düsseldorf die Stiftung nach liechtensteinischem Recht für nichtig und gewährte dem gesetzlichen Erben gegen die Destinatäre der Stiftung die Leistungskondiktion nach § 812 Abs. 1 S. 1 BGB auf Herausgabe der von der Stiftung rechtsgrundlos erhaltenen Leistungen.
Auch dieses Urteil ist im Schrifttum massiv kritisiert worden. Ob eine solche subjektive Missbrauchsabsicht in dem vom OLG Düsseldorf entschiedenen Fall einfach daraus abgeleitet werden konnte, dass es sich bei dem der Stiftung übertragenen Vermögen um Schwarzgeld handelte, erscheint fraglich. Tatsächlich dürfte die Stiftungserrichtung nicht allein der Steuerhinterziehung gedient haben, sondern zumindest auch der Gestaltung der Vermögensnachfolge. Der Erblasser wollte mit Errichtung der Stifutng sicherstellen, dass sein von ihm als ungeeignet eingeschätzter Sohn nach seinem Tode über sein Vermögen hätte verfügen können. Die hinterzogenen Vermögenswerte waren somit Mittel zum Zweck der Stiftungserrichtung und nicht Zweck der Stiftung an sich. Die Perpetuierung der Steuerhinterziehung war folglich nur ein blosser Reflex der Stiftungsgestaltung. Dafür spricht auch, dass der Stifter nach der Entdeckung durch die deutschen Steuerbehörden am Stiftungsstatut festhielt.