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Der Boom der Selbstanzeigen hat in den vergangenen Jahren in einer Vielzahl von Fällen dazu geführt, dass Erben und anderweitig erbrechtlich Berechtigte auf diese Weise erstmals von Auslandsvermögen Kenntnis erlangt haben, welches der Erblasser zu seinen Lebzeiten auf ausländische – insbesondere liechtensteinische – Stiftungen übertragen und für das er gleichzeitig andere Personen als seine Erben als Zweitbegünstigte dieser Stiftungen benannt hat. Die Beantwortung der Frage nach dem Bestehen eines solchen Auskunftsanspruchs ist wesentlich damit verbunden, ob die entsprechenden Stiftungen aus deutscher Perspektive als selbständige und rechtsfähige juristische Personen anzuerkennen sind. Eine solche Anerkennung kann aus einer ganzen Reihe von Gründen ausgeschlossen sein. Der nachfolgende Beitrag will einen Überblick über die insoweit bestehenden Probleme geben.
I. Grundlagen
Stiftungen sind kein Instrument der Pflichtteilsvermeidung, da die Übertragung von Vermögen auf Stiftungen grundsätzlich Pflichtteilsergänzungsansprüche auslöst. Stiftungen können jedoch insofern zur Pflichteilsvermeidung eingesetzt werden, als der Erblasser zu seinen Lebzeiten Vermögen auf Stiftungen überträgt und damit den Fristenlauf nach § 2325 Abs. 3 BGB in Gang setzt. Ist der Vermögenstransfer auf Stiftungen im deutschen Recht ein weitestgehend irreversibler Vorgang. ist es nach liechtensteinischem Stiftungsrecht möglich, dem Stifter auch nach der Übertragung seines Vermögens auf die Stiftung weitgehende Einflussrechte einzuräumen, so dass er in ähnlicher Weise wie ein Eigentümer über das Stiftungsvermögen verfügen kann. So kann ein statuarisches Widerrufsrecht bzw. ein umfassendes Recht zur Änderung der Stiftungsstatuten bzw. nach Art. 552 § 28 Abs. 1 PGR ein Fakultativorgan mit Weisungsrecht gegenüber dem Stiftugsrat vorgesehen werden.
Weiterhin bestimmt Art. 29 Abs. 5 S. 1 IPRG, dass Pflichtteilsergänzungsansprüche nach dem Recht des Staates zu beurteilen sind, dem die Rechtsnachfolge von Todes wegen unterliegt. Dies wird bei einem in Deutschland ansässigem deutschen Staatsangehörigen regelmäßig deutsches Recht sein. Art. 29 Abs. 5 S. 2 IPRG bestimmt jedoch, dass solche Rechte nur geltend gemacht werden können, wenn dies auch nach dem für den Erwerbsvorgang maßgeblichen Recht zulässig ist. Das für den Erwerbsvorgang maßgebliche Recht ist bei Vermögenstransfers bei Stiftungserrichtung jedoch das am Sitz der Stiftung geltende liechtensteinische Recht. Bei Nach- und Zustiftungen gilt das Recht des zugrundeliegenden Verpflichtungsgeschäfts. Insoweit kann regelmäßig liechtensteinisches Recht gewählt werden. Der Transfer auf die Stiftung kann zwar nach Art. 552 § 38 Abs. 1 PGR angefochten werden. Dies muss gemäß § 785 Abs. 3 S. 2 AGBGB innerhalb von zwei Jahren erfolgen. Diese Frist gilt auch für deutsche Pflichteilsansprüche.
Angesichts der Flexibilität des liechtensteinischen Stiftungsrechts und der kurzen Verjährungsfristen für Pflichtteilsansprüche scheinen liechtensteinische Stiftungen damit ein ideales Instrument zur Umgehung des deutschen Pflichtteilsrechts zu sein. Nach der liechtensteinischen Rechtsprechung soll jedoch der Vorbehalt umfangreicher Widerrufs- und Änderungsrechte bzw. die Einräumung eines Weisungsrechts dazu führen, dass der Lauf der Verjährungsfristen erst mit dem Tod des Stifters zu laufen beginnt, da dieser nach Art. 552 § 30 Abs. 1 PGR weder vererbt noch übertragen werden kann. Damit ist jedoch noch nicht viel gewonnen, solange der Pflichtteilsberechtigte nicht belegen kann, dass der Stifter nach den Statuten wie ein Eigentümer über das Stiftungsvermögen verfügen konnte. Entsprechende Auskunftsansprüche werden von liechtensteinischen Stiftungen regelmäßig abgelehnt.
In dem vom liechtensteinischen OGH entschiedenen Fall bestand tatsächlich die Besonderheit, dass die Klägern über detaillierte Kenntnisse des Innenlebens der Stiftung verfügte. Dies dürfe damit zusammenhängen, dass sie zugleich zum Kreis der Stiftungsbegünstigten zählt und ihr nach dem Ausscheiden des Stifters aus dem Beirat vom Stiftungsrat auch die Mitgliedschaft in diesem Sonderorgan anzubieten war. Normalerweise verfügt ein Pflichtteilsberechtigter, dessen Pflichtteil durch eine Stiftungskonstruktion geschmälert wird, über so gut wie keine Informationen über die Stiftung. Erblasser hüten sich in solchen Fällen regelmäßig davor, diese in irgendwelche Stiftungsinterna einzuweihen. In solchen Fällen wird vielmehr versucht, dem Berechtigen die Stiftung und ihr Vermögen bestmöglich zu verheimlichen. Der Pflichteilsberechtigte kann vor allem bei liechtensteinischen Stiftungen von Glück reden, wenn ihm deren Existenz überhaupt bekannt wird.
Theoretisch besteht die Möglichkeit, die liechtensteinische Stiftung im Inland zu verklagen. Pflichtteilansprüche können nach Art. 4 der auch im Verhältnis zu Liechtenstein anwendbaren EU-ErbVO vor den Gerichten des Mitgliedstaates geltend gemacht werden, in dessen Hoheitsgebiet der Erblasser im Zeitpunkt sei...