Für die endgültige Bestimmung der Höhe des Ausgleichungsbetrags sind schließlich auch die Vermögensinteressen der übrigen Erben und der Pflichtteilsberechtigten sowie die Höhe des gesamten Nachlasses zu berücksichtigen.

Streitig ist, ob der Ausgleichungsbetrag im Einzelfall sogar den Wert des gesamten Nachlasses mit der Folge erreichen darf, dass für die übrigen Abkömmlinge nichts mehr übrig bleibt. Das OLG Schleswig hat diese Frage in seinem Urteil vom 15.6.2012[16] verneint. Entsprechend hatte kurz zuvor das LG Magdeburg entschieden[17], das insoweit auf das verfassungsrechtlich geschützte Pflichtteilsrecht verweist. Die Literatur kommt jedenfalls überwiegend zu dem gleichen Ergebnis.[18] Eine vollständige Erschöpfung des Nachlasses durch die Ausgleichung soll selbst dann nicht möglich sein, wenn ein positiver Nachlassbestand nur durch die Pflegeleistung des Abkömmlings erhalten bleiben konnte.[19]

Indes wird durchaus auch gegenteilig vertreten, dass der Ausgleichungsbetrag im Einzelfall den Nachlass erschöpfen könne.[20] In der veröffentlichten Rechtsprechung hat sich zuletzt – soweit ersichtlich – 1996 das OLG Celle in diesem Sinne geäußert, ohne dass sich dort aber eine nähere Begründung findet.[21]

Der BGH hat die Streitfrage in seinem Urteil vom 9.12.1992[22] angesprochen, aber offengelassen, ob die übrigen Abkömmlinge wegen einer Ausgleichung nach § 2057a BGB auch ganz leer ausgehen können. Er hat immerhin die Berücksichtigung auszugleichender Leistungen (dort allerdings keine Pflegeleistungen, sondern Mitarbeit im landwirtschaftlichen Nebenerwerbsbetrieb des Erblassers) für richtig gehalten, die die Hälfte des Nachlasses übersteigen. Auf dieser Grundlage bestätigt der BGH die Entscheidungen des OLG Nürnberg und des LG Amberg als Vorinstanzen, die bei einem Nachlass von rd. 335.000 DM auszugleichende Leistungen von knapp 200.000 DM berücksichtigt hatten.

Für die Erschöpfungsthese ist anzuführen, dass den Erblassern ohne die langjährige Pflegehilfe ihrer Abkömmlinge häufig – gerade in den oben behandelten Fällen – nichts anders übrig geblieben wäre, als in ein Pflegeheim zu ziehen. Das hätte dann angesichts der Limitierung der Leistungen der Pflegeversicherung nach § 43 SGB XI die vollständige Erschöpfung ihrer Renteneinnahmen und Ersparnisse sowie des sonstigen Vermögens zur Folge haben können. Ein nennenswerter Nachlass wäre nicht übriggeblieben.

Aber schon der Wortlaut des § 2057a BGB spricht gegen die Möglichkeit einer vollständigen Aufzehrung des Nachlasses durch die Ausgleichung. Die Vorschrift fordert nämlich eine Billigkeitsentscheidung unter Einbezug des Wertes des Nachlasses.[23] Zudem muss bedacht werden, dass Normzweck doch die Honorierung von Leistungen, hier speziell von Pflegeleistungen des Abkömmlings sein soll, die den Nachlass erhalten oder gar vermehren. Mit diesem Zweck steht in Widerspruch, wenn dann gerade diese ausgleichungspflichtige Leistung den Nachlass für die übrigen Abkömmlinge gänzlich erschöpfen könnte.

Vor allem dürfte die Minderansicht nur schwer in Übereinstimmung zu bringen sein mit der klaren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2005, wonach die wirtschaftliche Mindestbeteiligung der Kinder des Erblassers an dessen Nachlass durch das Pflichtteilsrecht verfassungsrechtlich geschützt und gewährleistet ist, nämlich durch die Erbrechtsgarantie des Art. 14 Abs. 1 S. 1 iVm Art. 6 Abs. 1 GG.[24] Allerdings hatte der BGH in dem Urteil aus dem Jahr 1992[25] zu der von ihm bejahten Frage, ob der als Alleinerbe eingesetzte Abkömmling gegenüber anderen pflichtteilsberechtigten Abkömmlingen Ausgleichung verlangen könne, argumentiert, die Ansprüche von Pflichtteilsberechtigten würden sich nur auf das Vermögen beziehen, das vom Erblasser stamme. Soweit der Nachlass dagegen auf den in § 2057a BGB umschriebenen Leistungen des Abkömmlings beruhe, fehle dem Pflichtteilsanspruch eines anderen Abkömmlings die innere Berechtigung, weil Werte betroffen seien, die ein Abkömmling geschaffen oder erhalten habe.

Bei Pflegeleistungen geht es indes meist um den Erhalt des Erblasservermögens und damit aber eben doch um Vermögen, was der Erblasser selbst aufgebaut hat. Angesichts des verfassungsrechtlichen Schutzes des Pflichtteilsrechts erscheint deshalb gerade bei Betrachtung der Pflegeleistungen eher richtig, dass der Nachlass durch die Ausgleichung nicht vollständig aufgezehrt werden darf.

Geht es um den Einbezug der Interessen der übrigen Erben, liegt auf der Hand, dass diese weniger ins Gewicht fallen, wenn der Nachlasswert ohnehin hoch ist und die Ausgleichung die anderen Erben und Pflichtteilsberechtigten deshalb nicht empfindlich trifft. Im Münchener Kommentar[26] heißt es dazu überzeugend, je höher der Nachlasswert, desto großzügiger sei der mögliche Ansatz des Ausgleichungsbetrags zu bemessen.

[16] AaO, juris Rn 58.
[17] BeckRS 2011, 20919, juris Rn 74.
[18] Baldus, in Staudinger, Neubearb. 2016, § 2057a Rn 29; Ann, in MüKo-BGB, 6. Aufl. 2013, § 2057a Rn 35, 41; Palandt/Weid...

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