Den größten Praxisbezug für den Erbrechtler haben die Existenzsicherungssysteme des SGB II und des SGB XII. Im ersten Teil des Beitrags wurde schon das Dauerbrennerthema "Überleitung nach § 93 SGB XII" angesprochen.
Es besteht fast immer Unsicherheit, wer welchem Leistungssystem zuzuordnen ist und auf wessen Einkommen und Vermögen es ankommt.
Grob und vereinfacht gesagt, geht es beim SGB II um Leistungsbezieher, die tatsächlich und rechtlich arbeiten könnten und sollten, § 7 SGB II (erwerbsfähig nach § 8 SGB II), aber auf dem Arbeitsmarkt aus vielfältigen Gründen nicht unterkommen. Im SGB XII handelt es sich im Wesentlichen um Leistungsbezieher, die die Altersgrenze überschritten haben oder dauerhaft voll erwerbsgemindert sind (Grundsicherung, §§ 41 ff SGB VII) und deshalb nicht arbeiten, oder z. B. um Leistungsbezieher, die zeitweise erwerbsgemindert sind und deshalb nicht arbeiten (§§ 27 ff SGB XII) und nicht einer Bedarfsgemeinschaft des SGB II angehören.
Manchmal fallen auch Leistungen aus beiden Gesetzen in ein und derselben Person zusammen. Dann kommt es auf die Regeln beider Systeme an. So geschehen in der Entscheidung des LSG Baden-Württemberg vom 16.12.2015 – L 2 SO 5064/14 –, in der es um den Pflichtteil und den Aufwendungsersatzanspruch des Sozialhilfeträgers nach SGB XII ging, der eine relativ unbekannte Form des Sozialhilferegresses darstellt.
Der Fall: Die arbeitsfähige Behinderte
Die Klägerin litt unter einer chronisch paranoid-halluzinatorischen Psychose, und bezog nach SGB II als grundsätzlich Arbeitsfähige Grundsicherung für Arbeitssuchende, umgangssprachlich AlG II oder Hartz-IV genannt. Am 19.3.2011 verstarb ihr Vater. Ihr stand ein Pflichtteilsanspruch gegenüber der Mutter zu, die als Alleinerbin eingesetzt war. Am 29.3.2011 bewilligte der Sozialhilfeträger Eingliederungshilfe in der Form von Hilfe zum selbstbestimmten Leben in einer "betreuten Wohnmöglichkeit" (§§ 53 ff SGB XII) und in der Form der Fahrtkosten zur Teilhabe am Arbeitsleben. Die Leistungen wurden im Hinblick auf den Pflichtteilsanspruch nur unter Aufwendungsersatz geleistet. Das Arbeitslosengeld II machte der Sozialhilfeträger gegenüber dem Job-Center als Erstattungsanspruch (§ 104 SGB X) geltend, das diesen Anspruch auch erfüllte.
In dieser Fallkonstellation treffen Leistungen aus dem SGB II und dem SGB XII zusammen. Das macht es für den Erbrechtler besonders schwierig, die Wirkungen des Zuflusses aus Erbfall und Schenkung sicher feststellen zu können. Ein solches Zusammentreffen geschieht, wenn der Leistungsbezieher einerseits arbeitsfähig ist (SGB II), andererseits aber auch wegen einer gesundheitlichen Einschränkung bzw. Behinderung Hilfen zur Teilhabe an der Gesellschaft (Eingliederungshilfe nach §§ 53 ff SGB XII) oder andere besondere Hilfen der Sozialhilfe benötigt.
Das kann auch vorkommen, wenn es um Leistungen für Personen in einer Bedarfs- bzw. Einsatzgemeinschaft geht, bei der jede Person in ein anderes Leistungssystem fällt. Grundsätzlich gehören eine Berechtigte von Hilfe zum Lebensunterhalt (§§ 27 ff – 3. Kapitel SGB XII) und ein Berechtigter von Grundsicherung für Arbeitssuchende (§ 19 SGB II) gemeinsam in das System des SGB II. Bezieher von Grundsicherung nach SGB II und Grundsicherung nach SGB XII sind eine gemischte Bedarfsgemeinschaft mit einigen Besonderheiten beim Einkommens- und Vermögenseinsatz.
Wenn dagegen eine arbeitsfähige Person Leistungen aus dem SGB XII zusätzlich benötigt, hat der Sozialhilfeträger federführend "den Hut auf" und holt sich die Aufwendungen für die Grundsicherung vom Job-Center im Wege des Erstattungsanspruchs zurück. Im vorliegenden Fall war deshalb das SGB XII anwendbar und damit der dortige Leistungsträger zuständig. Er hatte den Pflichtteilsanspruch auf seine leistungserhebliche Relevanz zu prüfen.
Grundsätzlich wird im SGB II und im SGB XII die Qualifizierung als Einkommen oder Vermögen nach der Zufluss-Theorie vorgenommen. Demnach gehören zum Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert. Einkommen ist das, was jemand im Bedarfszeitraum wertmäßig dazuerhält. Mittel, die der Hilfesuchende früher – wenn auch erst in einer vorangegangenen Bedarfszeit erhalten hat – sind Vermögen. Als maßgeblichen Zeitpunkt für die Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermögen ist dabei auf den Beginn der sogenannten erweiterten Leistung abzustellen.
Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat in der fraglichen Entscheidung festgestellt, dass der Hilfesuchenden zu Beginn der erweiterten Hilfe am 21.3.2011 das Geld aus dem Pflichtteil noch nicht zugeflossen war. Sie hatte vor Beginn des Bedarfszeitraums zwar einen ihr zustehenden Pflichtteilsanspruch am 19.3.2011 (Erbfall) erworben. Realisiert werden konnte der Pflichtteilsanspruch allerdings erst später. Aus diesem Grund hat das Landessozialgericht den Pflichtteilsanspruch – mE zutreffend – als Vermögen bewertet.
Anders als dies bisher in der Rechtsprechung angenommen worden ist, hat das LSG zwischen der Entstehung des Anspruchs und de...