Das Bundesteilhabegesetz ist verabschiedet, und das Gesetz wird weitere Differenzierungen zwischen den einzelnen Leistungsbeziehern und erhebliche weitere Neuregelungen zur Anrechnung von Einkommen und Vermögen mit sich bringen. Das Bundesteilhabegesetz bezieht sich auf den Personenkreis der Menschen mit Behinderung, die Pate für das Behindertentestament gestanden haben, weil sie Eingliederungshilfe (§§ 53 ff SGB XII) beziehen. Ende der 1970er Jahre, als das Behindertentestament geschaffen wurde, steckte die Eingliederungshilfe noch in den Kinderschuhen und auch die Verpflichtung von Eltern, für die Existenz und Eingliederung ihrer behinderten Kinder auch im Erwachsenenalter zu sorgen, bestand rechtlich noch weitgehend. Erst in den letzten Jahren wurde diese Verpflichtung durch eine sehr weitgehende Einsatz- und Rückgriffsbeschränkung (§ 41 Abs. 5 und § 94 Abs. 3 SGB XII) geändert. Nunmehr soll die Eingliederungshilfe zu einem modernen Teilhaberecht werden. Die Eingliederungshilfe, die bisher in den §§ 53 ff SGB XII geregelt war, wird aus dem SGB XII herausgelöst. Sie wird zukünftig als "besondere Leistungen zu selbstbestimmten Lebensführung von Menschen mit Behinderungen" als Teil des Neunten Buch Sozialgesetzbuch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – (SGB IX) geregelt. Damit soll die Behindertenpolitik in Deutschland im Einklang mit der UN-Behindertenrechtskonvention weiterentwickelt werden. Wie soll das geschehen?
Die Eingliederungshilfe – und nur diese – soll aus dem allgemeinen "Fürsorgesystem" herausgeführt werden. Das bedeutet, dass man bei behinderten Menschen zukünftig konsequent die notwendigen Bedarfe aufteilt und entsprechenden Leistungen, Gesetzen und Leistungsträgern zuordnet. Gedeckt wird
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der Bedarf an existenzsichernden Leistungen zum Lebensunterhalt (Existenzsicherung) aus dem SGB II oder SGB XII |
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der behinderungsbedingte Bedarf an Leistungen der Eingliederungshilfe (Fachleistung) aus dem SGB IX (Bundesteilhabegesetz). |
§ 93 SGB IX nF bestimmt dazu, dass die Vorschriften über Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch (SGB II = Hartz IV) sowie über die Hilfe zum Lebensunterhalt und die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Zwölften Buch (§§ 27 ff und §§ 41 ff SGB XII) unberührt bleiben. § 94 SGB IX nF regelt, dass mit der Herauslösung der Eingliederungshilfe aus dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) zukünftig nicht mehr die Träger der Sozialhilfe für die Eingliederungshilfe zuständig sein werden. Vielmehr bestimmt das jeweilige Bundesland, wer der zuständige Träger der Sozialhilfe sein wird. Die existenzsichernden Leistungen verbleiben beim Träger der Sozialhilfe.
Die Existenzsicherung wird also für bedürftige behinderte Menschen weiterhin durch die Leistungen zum Lebensunterhalt (der notwendige Lebensunterhalt) nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII geleistet werden. Dabei wird aber nicht mehr wie bisher danach entschieden werden, ob es um Lebensunterhalt in oder außerhalb einer Einrichtung geht (§ 27 b SGB XII), oder ob es um Unterkunft und Heizung in und außerhalb einer Einrichtung (§ 35 SGB XII) geht. Es werden im Vierten Kapitel des SGB XII dazu Regelungen geschaffen, die Wohnformen und jeweils die Angemessenheitsgrenzen, bis zu denen die monatliche Miete als Bedarf zu berücksichtigen ist, definieren. Für diese konkreten Bedarfe bzw. Leistungen gelten die Einkommens- und Vermögensberücksichtigungsregeln der bisherigen §§ 82 – 84, 92 – 92 a SGB XII bis zur endgültigen Regelung in 2020 weiter. Sie werden 2020 dergestalt geändert, dass § 92 a SGB XII abgeschafft wird und durch eine Neuregelung des § 92 SGB XII vollständig ersetzt werden wird.
In einer ersten Stellungnahme zum Bundesteilhabegesetz hat der Landschaftsverband Rheinland darauf hingewiesen, dass mit der Neuregelung der Eingliederungshilfe Erbschaften und Pflichtteilsansprüche weitgehend für die Heranziehung aus eigenem Einkommen und Vermögen verloren gehen werden: "Erb- und Pflichtteilsansprüche werden bei den Leistungsberechtigten verbleiben und sind nicht bedarfsdeckend einzusetzen." Es sei mit Einnahmeausfällen zu rechnen.
Es scheint fraglich, ob diese Befürchtung richtig ist. Denn zum einen geht mit der Neuregelung der Eingliederungshilfe kein grundsätzlicher Paradigmenwechsel einher und zum anderen erfahren die Regeln der Existenzsicherung keine neue Durchbrechung des Sozialhilferechts.
Zitat
"Die dem Nachranggrundsatz unterliegenden Leistungen der Eingliederungshilfe stellen das unterstes soziale Leistungssystem für Menschen mit erheblichen Teilhabeeinschränkungen dar. ... Die Eingliederungshilfe bleibt bedürftigkeitsabhängig, da Einkommen und Vermögen des Menschen mit Behinderung und bei minderjährigen Kindern der im Haushalt lebenden Eltern oder des Elternteils im Rahmen des Eigenbetrags zu berücksichtigen sind."
§ 90 SGB IX nF regelt deshalb ausdrücklich, dass nur derjenige Eingliederungshilfe erhält, der die erford...