Leitsatz
1. Der auf Antrag des Klägers stets mögliche Wechsel von der Auskunfts- zur Leistungsstufe ist keine Klageänderung nach § 263 ZPO, sondern eine stets zulässige Klageerweiterung nach § 264 Nr. 2 ZPO, desgleichen das Übergehen einer ursprünglich angekündigten zweiten Stufe; die Wechselerklärung kann zwar als Prozesshandlung nicht widerrufen werden, aber die Rückkehr des Klägers in die erste Stufe ist wiederum nach § 264 Nr. 2 ZPO zuzulassen.
2. Der Anspruch des Pflichtteilsberechtigten gegen den Erben auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung ist gemäß § 2314 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 260 Abs. 2 BGB gerechtfertigt, wenn das Offenbaren des Gesamtumfangs des Nachlasses nur sukzessive auf Nachfrage erfolgte, wobei die Unvollständigkeit bei gehöriger Sorgfalt hätte vermieden werden können.
OLG München, Urteil vom 1. Februar 2012 – 3 U 3525/11
Sachverhalt
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist das Begehren der Klägerin, vom Beklagten eine eidesstattliche Versicherung hinsichtlich seiner Angaben zum Bestand des Nachlasses und der darin enthaltenen Auskünfte über lebzeitige Zuwendungen und Vorempfänge sowie der Güterstände, in denen die Erblasserin, die gemeinsame Mutter der Parteien, lebte, zu erhalten.
Die Klägerin macht gegen den durch Testament vom 9.6.2003 von der Erblasserin zum Alleinerben eingesetzten Beklagten Pflichtteilsansprüche geltend. Mit der am 19.11.2009 beim Landgericht Traunstein eingegangenen Stufenklage hatte sie erstens Auskunft über den Bestand des Nachlasses, zweitens Wertermittlung, drittens Abgabe der eidesstattlichen Versicherung und viertens Zahlung des Pflichtteils nach Maßgabe der Auskunftserteilung und Wertermittlung beantragt. Mit klägerischem Schriftsatz vom 22.7.2010 war die Klage – mit entsprechender Zustimmung des Beklagten – hinsichtlich Ziffer 1. und 2. für erledigt erklärt worden. Mit klägerischem Schriftsatz vom 19.8.2010 war Ziffer 4. des Antrags der Klageschrift vom 18.11.2009 nunmehr beziffert worden.
In der am 29.7.2011 durchgeführten mündlichen Verhandlung hatte die Klägerin den Antrag aus Ziffer 3. der Klage vom 18.11.2009 (eidesstattliche Versicherung) gestellt.
Das Landgericht Traunstein hat mit am 19.8.2011 verkündeten Teilurteil die Klage auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung abgewiesen. Auf das Urteil (Bl 98/104 dA) wird insoweit Bezug genommen. Des Weiteren wird auf die im erstinstanziellen Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen vom 9.7.2010 (Bl 37/39 dA) und vom 29.7.2011 (Bl 96/97 dA) verwiesen.
Mit ihrer Berufung gegen das Teilurteil verfolgt die Klägerin ihr Ziel auf Abgabe der Versicherung an Eides statt gegen den Beklagten weiter. Sie wendet sich gegen die Auffassung des Erstgerichts, dass die Klägerin Ansprüche insoweit nicht mehr geltend machen könne und die Klage insoweit nicht mehr zulässig sei, da sie durch den Schriftsatz vom 19.8.2010 zur Zahlungsklage übergegangen sei und damit Ansprüche auf der zweiten Stufe der Stufenklage (eidesstattliche Versicherung) nicht mehr weiter verfolgt werden konnten. Einverständlich für erledigt erklärt sei ausdrücklich nur die erste Stufe (Auskunft) gemäß den Klageanträgen zu I. und II. Die rechtshängige zweite Stufe der Klage (eidesstattliche Versicherung) sei hingegen weder für erledigt erklärt noch zurückgenommen worden, noch habe das Gericht darüber entschieden. Die Klägerin habe den Anspruch auf Verurteilung des Beklagten zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung während des gesamten Rechtsstreits niemals aufgegeben. Dies ergebe sich nicht zuletzt aus dem Schriftsatz vom 19.8.2010, mit dem ausdrücklich zum Ausdruck gebracht worden sei, dass die Berechnung zur Bezifferung der Forderung "vorbehaltlich etwaiger Änderungen durch neue Erkenntnisse" erfolge. Auch die Beweisaufnahme in Form der Ermittlung des wahren Werts der Immobilie stehe dem weiter verfolgten Anspruch auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung hinsichtlich des Nachlasses nicht entgegen. Ergänzend wird auf die Ausführungen in der Berufungsbegründung vom 25.10.2011 (Bl 111/120 dA) verwiesen. (...)
Aus den Gründen
Die zulässige Berufung ist begründet, sodass das Teilurteil vom 19.8.2011 aufzuheben und der Klage auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung in Form des mit klägerischem Schriftsatz vom 26.8.2011, Ziffer II., gestellten Antrags stattzugeben war.
1. Die Auffassung des Erstgerichts, die Klage auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung sei nicht mehr zulässig, trifft nicht zu. Es nimmt an, die Klägerin habe nach Erledigterklärung der Anträge aus Ziffer 1. und 2. der Stufenklage (erste Stufe) nicht den ursprünglichen Antrag aus Ziffer 3. (zweite Stufe) ihrer Klage weiter verfolgt, sondern sei durch Schriftsatz ihrer damaligen Prozessbevollmächtigten vom 19.8.2010 zur Zahlungsklage (dritte Stufe) übergegangen, sodass für eine Weiterverfolgung des Anspruchs auf Abgabe der eidesstattlichen Versicherung kein Raum sei. Zur Begründung seiner Auffassung bezieht sich das Erstgericht auf die Entscheidung des Bundesgeric...