Leitsatz
Das Testament des Angehörigen eines Heimbewohners, mit dem der Heimträger zum Nacherben eingesetzt wird und von dem dieser erst nach dem Tode des Erblassers erfährt, ist nicht nach § 14 Abs. 1 HeimG iVm § 134 BGB unwirksam.
BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2011 – IV ZB 33/10
Sachverhalt
Der Beteiligte zu 1 ist der einzige Sohn des am 11. September 2007 verstorbenen verwitweten Erblassers. Er ist schwerbehindert und lebt in einer Einrichtung, die Wohnheime und Tagesförderstätten für Menschen mit schwerer Behinderung umfasst und deren Träger der Beteiligte zu 2 ist. In einem notariellen Testament vom 16. März 2006 setzte der Erblasser den Beteiligten zu 1 zu seinem nicht befreiten Vorerben und die Einrichtung zum Nacherben sowie zum Ersatzerben ein. Über dieses Testament wurde der Heimträger erst nach dem Tode des Erblassers informiert.
Der Beteiligte zu 1 hat mit Antrag vom 28. September 2007 einen Erbschein beantragt. Diesen Antrag hat er später dahin konkretisiert, dass der beantragte Erbschein ihn als Alleinerben nach seinem Vater ausweisen soll, weil die Erbeinsetzung des Beteiligten zu 2 gegen § 14 HeimG verstoße.
Das Nachlassgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Das Landgericht hat die hiergegen gerichtete Beschwerde zurückgewiesen. Dagegen hat der Beteiligte zu 1 weitere Beschwerde eingelegt. Das Gericht der weiteren Beschwerde, dessen Beschluss unter anderem in ZEV 2011, 424 veröffentlicht ist, sieht sich an einer eigenen Entscheidung über die weitere Beschwerde gehindert, weil es bei der Auslegung von § 14 Abs. 1 HeimG von einer Entscheidung des Oberlandesgerichts München vom 20. Juni 2006 (NJW 2006, 2642 f) abzuweichen beabsichtige, und hat die Sache deshalb dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.
Aus den Gründen
Die Vorlage ist nach § 28 Abs. 2 FGG statthaft.
1. Auf das vor dem 1. September 2009 eingeleitete Erbscheinsverfahren ist insgesamt noch das Verfahrensrecht des FGG anzuwenden, Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-RG.
2. Das vorlegende Gericht möchte § 14 Abs. 1 HeimG und damit eine Bundesnorm ("reichsgesetzliche Vorschrift") in einer seine Entscheidung tragenden Weise anders auslegen als das Oberlandesgericht München in einer Entscheidung vom 20. Juni 2006 (aaO), die ebenfalls auf eine weitere Beschwerde in einem FGG-Verfahren ergangen ist.
Das Oberlandesgericht München hat in dieser Entscheidung die Auffassung vertreten, dass die Vorschrift des § 14 Abs. 1 HeimG, die es dem Heimträger verbietet, sich von oder zugunsten von Heimbewohnern Geld- oder geldwerte Leistungen über das nach § 5 vereinbarte Entgelt hinaus versprechen oder gewähren zu lassen, auch eingreife, wenn ein Angehöriger eines Heimbewohners den Träger zum Erben oder Vermächtnisnehmer einsetze und der Heimbewohner weiterhin in der Einrichtung dieses Träger lebe und deren Dienste in Anspruch nehme.
Demgegenüber möchte das vorlegende Gericht diese Norm dahingehend auslegen, dass sie nicht eingreift, wenn ein Angehöriger eines Heimbewohners den Heimträger in seinem Testament bedenkt, ohne dass dieser zu Lebzeiten des Testierenden hiervon Kenntnis erlangt. Es hat hierzu im Wesentlichen ausgeführt:
Testamentarische, d. h. einseitige Zuwendungen unterfielen der Vorschrift des § 14 Abs. 1 HeimG nur, wenn sich der Eintritt des Vermögensvorteils auf ein Einvernehmen zwischen dem Testierenden und dem Bedachten gründe. Daran fehle es, wenn der Heimträger bedacht werde, ohne dass er zu Lebzeiten des Testierenden hiervon Kenntnis erlange. Zwar sei auch in dieser Konstellation die Sicherung des Heimfriedens als ein Schutzzweck des Heimgesetzes gefährdet, wenn der Heimbewohner bei Eintritt des Erbfalls noch lebe. Nicht betroffen seien aber die von Grundrechtspositionen getragenen weiteren Schutzzwecke der Testierfreiheit der Heimbewohner und des Schutzes ihrer hilflosen Lage vor Ausnutzung. Dagegen werde bei der weiten Auslegung des Begriffs "gewähren lassen" durch das Oberlandesgericht München in die Testierfreiheit des nicht vom Heimgesetz zu schützenden Dritten eingegriffen. Mit dieser weiten Auslegung werde für ihn selbst eine "stille Testierung" tatsächlich nahezu unmöglich. Eine derart weitgehende Einschränkung der Testierfreiheit des Dritten sei zur Sicherung des Heimfriedens nicht erforderlich. Sie würde das in der Testierfreiheit enthaltene Selbstbestimmungsprinzip unverhältnismäßig beschränken.
3. Der Zulässigkeit der Vorlage steht nicht entgegen, dass das vorlegende Gericht die Beteiligten nicht zu der beabsichtigten Vorlage angehört hat. Zwar ist es umstritten, ob der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) in jedem Fall eine solche vorherige Anhörung erfordert (vgl. BGH, Beschluss vom 2. Oktober 2003 V ZB 34/03, BGHZ 156, 279, 281). Dies kann jedoch dahinstehen, weil die etwaige Gehörsverletzung jedenfalls dadurch geheilt ist, dass die Beteiligten im Verfahren vor dem Senat Gelegenheit hatten, sich zur Frage der Zulässigkeit der Vorlage zu äußern (BGH aaO S. 283 f). Soweit der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs angenommen hat, dass eine unte...