I. Grundsatzfragen zur Erbschaftsteuer
Nach Prof. Kirchhof müsse die Erbschaftsteuer als solche erhalten bleiben. Der Erbe empfange die Erbmasse dank eines vom Grundgesetz garantierten und vom Zivilrecht ausgestalteten Erbrechts, das den Erblasser zu verbindlichem Testieren befähige und dem Familienerben eine erbrechtliche Teilhabe am Familiengut sichere. Der Erbe dürfe diese Erbschaft in Frieden entgegennehmen und genießen, obwohl der Erbanfall erhebliche Vermögensunterschiede im Vergleich zu anderen aufweise. Der Staat gewährleiste das Erbrecht als einen Bestandteil der Generationsgerechtigkeit und des langfristigen Verbleibens des Vermögens in privater Hand. Deshalb sei es gerechtfertigt, dass der Erbe einen maßvollen Teil der empfangenen Bereicherung zur Finanzierung und Aufrechterhaltung dieses Systems abgebe.
Wie es im Sinne einer gleichen Freiheit zu organisieren sei, dass jeder nach der Höhe der jeweiligen Bereicherung zur Finanzierung des Systems beitrage, sei fraglich. Die Grundidee der Gleichheit im Erbschaftsteuerrecht, wie im Steuerrecht allgemein, erfordere es, nach der Höhe der Bereicherung zu unterscheiden. Der Frage, wie geschickt jemand Gestaltungsmodelle in Anspruch genommen habe, dürfe hierbei keine Bedeutung zukommen. In diesen Zusammenhang füge sich der Vorlagebeschluss des BFH ein. Wenn es so wäre, dass durch Steuergestaltung die materielle Idee der Belastungsgleichheit je nach empfangener Bereicherung strukturell zerstört wäre, hätte dies nach der Rechtsprechung des BVerfG (Zinsurteil) ein strukturelles Erhebungsdefizit zur Folge. Hiernach schlage der Umstand, dass eine richtige gesetzliche Idee nicht gleichheitskonform umgesetzt werden könne, auf den Ursprung, mithin die gesamte Steuerart, zurück. Anders als im Vorlagebeschluss des BFH diskutiert, müsse hinterfragt werden, ob ein zivilrechtlicher Vertrag, dem ausschließlich die Funktion zukomme, einen Dritten – Fiskus und Steuerzahler – zu belasten, überhaupt wirksam vereinbart werden könne. Bei Anwendung dieser Überlegung auf das Erbschaftsteuerrecht stelle sich angesichts der dort existierenden Gestaltungsmöglichkeiten nicht die Frage der Einschlägigkeit von § 42 AO, sondern die zivilrechtliche Frage der Nichtigkeit von Verträgen, die Modelle zur Inanspruchnahme dieser Gestaltungsmöglichkeiten als Vertragsgegenstand aufgegriffen hätten. Bei richtiger Beantwortung dieser Frage offenbare sich ein dramatischer Reformbedarf des Erbschaftsteuerrechts.
Im Rahmen der Überlegungen für eine Reform des Erbschaftsteuerrechts stelle sich die Frage, wie im zukünftigen Recht mit Erben umgegangen werden sollte, die zwar eine große Vermögensmasse, aber keine Liquidität geerbt hätten. Der Gesetzgeber habe dieses Problem zwar erkannt, die normative Lösung sei jedoch missglückt. Das zukünftige Erbschaftsteuerrecht solle alle Bereicherungen mit einem Steuersatz von 10 % prinzipiell gleich belasten und hierfür unter Berücksichtigung hoher Freibeträge, die mit 500.000 EUR bereits im Rahmen des geltenden Rechts vorgesehen seien, auf alle Befreiungen und Ausnahmesteuerklassen verzichten. Verbleibenden Liquiditätsschwierigkeiten könne mit einer Stundungslösung begegnet werden. Zwar würde ein solches Erbschaftsteuerrecht keine Aufkommensneutralität gewährleisten, eine gleichheitsgerechte Besteuerung wäre aber gesichert, indem sich das erhöhte Erbschaftsteueraufkommen auf alle Steuerpflichtigen lastengleich verteile.
II. Einfluss der Rechtsprechung auf das Erbschaftsteuerrecht
Dr. Loose erörterte die Einflüsse der Rechtsprechung auf die Entwicklung der Erbschaftsteuer und befasste sich mit dem Vorlagebeschluss des BFH vom 27.9.2012. Dem Vorlagebeschluss habe ein typischer "Erbschaftsteuerfall" zugrunde gelegen. Der Kläger sei zu einem Viertel Erbe seines Onkels geworden, nachdem dieser 2009 verstorben sei. Bei einem Freibetrag von 20.000 EUR und einem Steuersatz von 30 % sei der Kläger vom Finanzamt zu einer Steuer in Höhe von 9.360 EUR veranlagt worden. Für das Jahr 2009 hätten für die Steuerklassen II und III die identischen Steuersätze von 30 % Anwendung gefunden. Erst ab 2010 sei der Eingangssteuersatz für die Steuerklasse II auf 15 % herabgesetzt worden. Der Kläger habe die Auffassung vertreten, dass auch für das Jahr 2009 wegen des familiären Näheverhältnisses für die Steuerklasse II aus Gründen des Verfassungsrechts ein entsprechender Steuersatz hätte gelten müssen. Diese Gleichstellung von Personen der Steuerklasse II und III habe der BFH für verfassungsrechtlich zulässig erachtet. Zweifel resultierten aber aus dem Zusammenspiel der Verschonungsvorschriften für unternehmerisches Vermögen nach §§ 13 a und 13 b ErbStG und der Tarifvorschrift des § 19 ErbStG, weil die Steuervergünstigungen nicht durch ausreichende Gemeinwohlgründe gerechtfertigt seien und einen verfassungswidrigen Begünstigungsüberhang aufwiesen. Nach den §§ 13 a und 13 b ErbStG könne Vermögen jeder Art und in jeder Höhe ohne Anfall von Erbschaftsteuer erworben werden, ohne dass es auf eine Gemeinwohlbindung ankomme. Obgleich Mechanismen wie di...