4.1 Allgemeiner verfassungsrechtlicher Rahmen
Den verfassungsrechtlichen Rahmen der Erbschafts- und Schenkungsbesteuerung gibt das verfassungsrechtlich garantierte Erbrecht vor. Das Erbrecht ist sowohl als Rechtsinstitut als auch als Individualgrundrecht gewährleistet und korrespondiert mit der Erbschaft- und Schenkungsteuer. Die Institution des privaten Erbrechts sichert dem Privateigentum Beständigkeit mit der Folge, dass das Privateigentum auch im Erbfall wiederum grundsätzlich einem Privatmann zufällt und nur ausnahmsweise auf die öffentliche Hand im Rahmen eines Ersatzerbrechts übergeht. Das im bürgerlichen Recht vorgesehene Ersatzerbrecht des Staates tritt hinter den uneingeschränkten Vorrang des privaten Erbrechts zurück und übernimmt vor allem eine Ordnungsfunktion, um herrenlose Nachlässe zu vermeiden. Während die Erbrechtsgarantie das Recht des Vermögensinhabers auf ordnungsgemäßen Vermögensübergang auf einen privaten Nachfolger gewährleistet, hat die Erbschaftsteuer die Funktion, die Teilhabe des Staates am Nachlass zu sichern.
4.2 Verfassungsrechtlicher Ordnungsrahmen der Besteuerung
Der verfassungsrechtliche Ordnungsrahmen der Besteuerung wird insbesondere durch die Institutsgarantie, die Testierfreiheit, das Familienprinzip, das Übermaßverbot, den Gleichheitssatz und das Rechtsstaatsprinzip definiert.
4.2.1 Institutsgarantie
Für die Besteuerung kommt der in Art. 14 GG zum Ausdruck kommenden Institutsgarantie des Erbrechts eine grundlegende Bedeutung zu, die den Rahmen der Gewährleistung vorgibt. Danach kann der Gesetzgeber eine Erbschaftsteuer vorsehen, die den durch den Erbfall bei Erben eintretenden Vermögenszuwachs und die dadurch vermittelte finanzielle Leistungsfähigkeit belastet. Die Ausgestaltung und Bemessung der Erbschaftsteuer muss aber den grundlegenden Gehalt der Erbrechtsgarantie wahren. Dazu zählen die Testierfreiheit und das Prinzip des Verwandtenerbrechts.
4.2.2 Testierfreiheit
Die Testierfreiheit sichert dem Erblasser die Möglichkeit der selbstständigen Einflussnahme auf die Vermögensverteilung nach seinem Tode. Die Testierfreiheit erfährt jedoch Einschränkungen durch § 19 Abs. 1 ErbStG. Dieser bestimmt eine steigende Besteuerung mit abnehmendem Verwandtschaftsgrad des Erben zum Erblasser, sodass spätestens ab einer Steuerbelastung von 50 % von einer Beschränkung der Testierfreiheit ausgegangen werden kann. Die Testierfreiheit gibt daher dort die Grenze vor, die geeignet ist, den durchschnittlich billig und gerecht denkenden Steuerpflichtigen wegen des Zugriffs des Fiskus z. B. von einer bestimmten Testierweise abzuhalten.
4.2.3 Familienprinzip
Essenzielles Prinzip der deutschen Erbrechtsordnung ist das Verwandtenerbrecht, aus dem die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts das Familienprinzip als Grenze für das Maß der Steuerbelastung anführt. In der Entscheidung vom 22. Juni 1995 hat das BVerfG ausgeführt, dass der erbschaftsteuerliche Zugriff bei Familienangehörigen im Sinne der Steuerklasse I derart zu mäßigen ist, dass jedem dieser Steuerpflichtigen der jeweils auf ihn überkommene Nachlass – je nach Größe – zumindest zum deutlich überwiegenden Teil oder bei kleineren Vermögen völlig steuerfrei zugutekommt.
4.2.4 Übermaßverbot
Die Obergrenze der Erbschaftsteuerbelastung ist deren erdrosselnde Wirkung. Somit dürfen die Erben nicht übermäßig belastet und die den Nachfolgern zugewiesenen Vermögenswerte nicht grundlegend beeinträchtigt werden. Die Erbschaftsteuer darf den Sinn und die Funktion des Erbrechts nicht zunichte oder wertlos machen. In der Besteuerungspraxis wird die Grenze dort zu ziehen sein, wo der Erhalt der Vermögenswerte substanziell gefährdet ist. Die aufgrund von Privatnützigkeit erworbenen vermögenswerten Rechtspositionen müssen jedenfalls im Kern erhalten bleiben.
4.2.5 Gleichheitssatz
Der Gleichheitsgrundsatz gebietet, dass Gleiches grundsätzlich gleich zu behandeln ist und Ungleiches ungleich behandelt werden kann, und begrenzt den Handlungsspielraum des Gesetzgebers vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse. Die einmal getroffene Belastungsentscheidung ist folgerichtig umzusetzen und – ungeachtet verfassungsrechtlich zulässiger Differenzierungen – die Steuerpflichtigen sind gleichmäßig zu belasten. Der Zweite Senat des BVerfG hatte im Urteil vom 22. Juni 1995 ausdrücklich festgestellt, dass eine gleichmäßige Besteuerung in den Bemessungsgrundlagen der je für sich zu bewertenden wirtschaftlichen Einheiten gesichert wer...