Art. 22 Abs. 4 ErbRVO erlaubt, die einmal getroffene Rechtswahl zu ändern oder zu widerrufen. Hiervon zu unterscheiden sind die in Art. 25 Abs. 3 ErbRVO genannten Voraussetzungen für die Auflösung des Erbvertrags sowie dessen Änderung oder Widerruf. Sie betreffen sachrechtliche Beseitigungsrechte, die dem durch Rechtswahl bestimmten Recht entstammen. Eine Verbindung besteht freilich dahingehend, dass ein durch Änderung oder Widerruf der Rechtswahl hervorgerufener Statutenwechsel dem Erbvertrag gleichsam den juristischen Boden entziehen könnte. So liegt es, wenn ein Recht gewählt wird, das geringere Anforderungen an die Auflösung des Erbvertrags stellt oder ihn ganz verbietet. Offen ist in diesem Zusammenhang, ob die sachrechtlichen Bindungswirkungen auch die kollisionsrechtliche Rechtswahl erfassen können. Im selben Kontext steht die Frage, ob der Erblasser oder die Parteien durch nachträgliche Rechtswahl einen im Errichtungszeitpunkt bei objektiver Anknüpfung unwirksamen Erbvertrag validieren können.
Ähnlich der Überlegung zur Frage, ob auch das Recht der Staatsangehörigkeit im Todeszeitpunkt zur Wahl steht, ist zu konstatieren, dass der Verweis in Art. 25 Abs. 3 ErbRVO auf die in Art. 22 ErbRVO genannten "Bedingungen" die Änderung und den Widerruf der Rechtswahl nach Art. 22 Abs. 4 ErbRVO erfasst. Obgleich nur hinsichtlich der Form geregelt, setzt Art. 22 Abs. 4 ErbRVO die Möglichkeit, eine Rechtswahl zu ändern oder zu widerrufen, voraus. Dies für Erbverträge durch die unabänderliche Fixierung der Rechtswahl auf den Errichtungszeitpunkt auszuschließen, findet im Normtext höchstens andeutungsweise eine Stütze und wird auch von Erwägungsgrund 51, 2. HS nicht gefordert. Deshalb sind Änderung und Widerruf der Wahl des auf einen Erbvertrag anwendbaren Rechts grundsätzlich zulässig. Da die Rechtswahl durch alle am Erbvertrag Beteiligten getroffen wird, bedarf auch ihre Änderung oder ihr Widerruf der Beteiligung all dieser Personen, nicht nur des oder der Erblasser. Bei einer Änderung der Rechtswahl kann das Recht einer der Staatsangehörigkeiten einer der Erblasser im Moment der Änderung gewählt werden.
Nach erfolgtem Widerruf der Rechtswahl gelangt das nach Art. 25 Abs. 1 und 2 ErbRVO durch objektive Anknüpfung bestimmte Recht zur Anwendung. Ausschlaggebend ist hier der Zeitpunkt, in dem der Erbvertrag errichtet wurde, nicht der des Widerrufs. Denn der Widerruf der Rechtswahl führt nicht zu einem Neuabschluss des Erbvertrags.
Die nachträgliche Rechtswahl findet in der EuErbVO – anders als etwa im Internationalen Schuldvertragsrecht in Art. 3 Abs. 2 Rom I-VO – keine ausdrückliche Erwähnung. Als Gegenstück zum Widerruf einer bereits getroffenen Rechtswahl bestehen jedoch keine Bedenken, sie ebenfalls unter den für den Widerruf geltenden Bedingungen für statthaft zu erachten. In zeitlicher Hinsicht sind sowohl die Rechte wählbar, die durch die Staatsangehörigkeit(en) im Errichtungszeitpunkt vermittelt werden, als auch diejenigen, die aufgrund von Staatsangehörigkeit(en) im Zeitpunkt der Rechtswahl eröffnet sind. Ersteres folgt aus dem Wortlaut des Art. 22 Abs. 1 ErbRVO, der auf die Staatsangehörigkeit im Zeitpunkt der Rechtswahl abstellt, sowie aus dem Wesen der Wahl als nachträgliche, Letzteres aus der Überlegung, dass ein Umweg über eine Änderung der Rechtswahl nicht notwendig erscheint.
Wie sich Änderung und Widerruf einer Rechtswahl auf die Rechte Dritter, die nicht am Erbvertrag beteiligt sind, auswirken, lässt sich der Verordnung nicht entnehmen. Gleiches gilt für die nachträgliche Rechtswahl. Es liegt jedoch nah, dass eine durch die Parteien nach Errichtung des Erbvertrags vereinbarte Änderung des anwendbaren Rechts Rechte Dritter unberührt lassen muss. Das Europäische Internationale Privatrecht lehnt die Rechtswahl zulasten Dritter ab, wie sich etwa aus Art. 14 Abs. 1 S. 2 Rom II-VO oder – spezifisch für die nachträgliche Rechtswahl – aus Art. 3 Abs. 2 S. 2, 2. Alt. Rom I-VO entnehmen lässt. Dabei dürfte es jedoch notwendig sein, zwischen durch den Erbvertrag begründeten Rechten Dritter, die nicht entzogen werden können, und bloßen zukünftigen Rechtserwerbschancen oder -erwartungen, die die Rechtswahl beeinträchtigen darf, zu unterscheiden.