Während Art. 25 Abs. 1 ErbRVO einseitige Erbverträge regelt, befasst sich Art. 25 Abs. 2 ErbRVO mit mehrseitigen Erbverträgen. Unterscheidungskriterium ist die Nachlassbetroffenheit der am Erbvertrag beteiligten Personen. Betrifft der Erbvertrag nur den Nachlass einer Person, richten sich Zulässigkeit, materielle Wirksamkeit und Bindungswirkungen gemäß Art. 25 Abs. 1 ErbRVO nach dem hypothetischen Erbstatut dieser Person. Beim mehrseitigen Erbvertrag – der den Nachlass mehrerer Personen berührt – unterliegt die Zulässigkeit nach Art. 25 Abs. 2 UAbs. 1 ErbRVO kumulativ den hypothetischen Erbstatuten der Personen, deren Nachlässe betroffen sind. Es gilt der Grundsatz des strengeren bzw. ärgeren Rechts. Materielle Wirksamkeit und Bindungswirkungen des mehrseitigen Erbvertrags richten sich gemäß Art. 25 Abs. 2 UAbs. 2 ErbRVO hingegen nach dem hypothetischen Erbstatut, mit dem der Erbvertrag die engste Verbindung aufweist. Im Folgenden wird eine an einem Erbvertrag beteiligte Person, deren Nachlass betroffen ist, als Erblasser bezeichnet.
Nicht bei jedem Erbvertrag, an dem mehr als eine Person beteiligt ist, handelt es sich um einen mehrseitigen Erbvertrag. Für die Frage der Nachlassbetroffenheit kann trotz Ungenauigkeiten anderer Sprachfassungen die Definition des Erbvertrags aus Art. 3 Abs. 1 lit. b) ErbRVO herangezogen werden: Konstitutiv für einen Erbvertrag ist danach, dass Rechte am künftigen Nachlass begründet, geändert oder entzogen werden. Der einseitige Erbvertrag nach Art. 25 Abs. 1 ErbRVO begründet, ändert oder entzieht Rechte nur am Nachlass einer der beteiligten Personen, der mehrseitige Erbvertrag nach Art. 25 Abs. 2 ErbRVO hingegen an den Nachlässen mehrerer beteiligter Personen. Als Kontrollüberlegung kann folgende Frage dienen: Würde man, nach Vermögensmassen geordnet, die im Erbvertrag enthaltenen Rechtsgeschäfte in separaten Vereinbarungen treffen, lägen ein oder mehrere Erbverträge iSd Definition des Art. 3 Abs. 1 lit. b) ErbRVO vor?
In diesem Zusammenhang sei auf eine Ungenauigkeit einiger Sprachfassungen – unter ihnen der deutschen – des Art. 25 Abs. 2 UAbs. 1 ErbRVO aufmerksam gemacht: Zu kumulieren sein sollen danach die Rechte, die auf die Rechtsnachfolge "der einzelnen beteiligten Personen" anzuwenden wären. Gemeint sind damit nur die beteiligten Personen, deren Nachlässe berührt werden, nicht sämtliche am Erbvertrag Beteiligte. Schließen also drei Kinder mit ihren Eltern einen Erbvertrag, um die Rechtsnachfolge von Todes wegen sowohl nach der Mutter als auch nach dem Vater zu regeln, sind die Kinder zwar als Vertragsparteien am Erbvertrag beteiligt. Die Zulässigkeit des Erbvertrags beurteilt sich jedoch nur nach den kumulierten hypothetischen Erbstatuten der Mutter und des Vaters, da nur deren Nachlässe vom Erbvertrag berührt werden.