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Pflichtteilsansprüche und ihre Abwicklung vor und nach dem Erbfall, einverständlich oder konträr, durch Auszahlung oder durch Abfindung etc., sind bereits zivilrechtlich schwierig zu handhaben. Das gilt insbesondere dann, wenn Erbe und Pflichtteilsberechtigter im Interessenkonflikt stehen und der Pflichtteil nicht einverständlich, z. B. zur Steuerersparnis, geltend gemacht wird. Gerade steuerliche Folgen, und zwar bei der Erbschaft-/Schenkungsteuer und auch bei der Einkommensteuer, sind aber in diesen Fällen besonders zu beachten. Vielfach lassen sich Steuerfolgen nur "im Frühstadium", also bis zur ersten Geltendmachung des Pflichtteils nach dem Tod, optimieren. Der Beitrag weist auf die unterschiedlichen Rechtsfolgen in verschiedenen Konstellationen hin und gibt Gestaltungshinweise.
1. Pflichtteilsverzicht vor dem Tod gegen Abfindung
1.1 Erbschaft-/Schenkungsteuer
Auf den Pflichtteil kann bereits vor dem Tod durch Vertrag zwischen dem Erblasser und dem Verzichtenden in notarieller Form verzichtet werden (§ 2346 Abs. 2 BGB). Da der Verzichtende zu diesem Zeitpunkt eine bloße Erwerbsaussicht ohne Vermögenswert hat, ist eine an ihn gezahlte Abfindung wie eine gewöhnliche Schenkung sofort steuerpflichtig (§ 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG). Auch wenn in der zivilrechtlichen Diskussion eine Abfindung an den Verzichtenden gerade auch aus Gründen der Inhaltskontrolle für notwendig oder zumindest empfehlenswert gehalten wird und deshalb auch die Qualifikation des Verzichts in diesen Fällen als entgeltlich diskutiert wird, liegt im ErbStG kein entgeltliches Rechtsgeschäft vor aufgrund der Fiktion des § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG. Zur – angreifbaren – Begründung wird am ehesten § 7 Abs. 3 ErbStG herangezogen werden können, dass die "Gegenleistung" (also der Verzicht) noch nicht in Geld veranschlagt werden kann.
Die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG beinhaltet aber eine Fiktion, dass die Abfindung, egal wer sie zahlt und aus wessen Vermögen sie herrührt, als vom Erblasser geleistet gilt. In den meisten Fällen ermöglicht das Steuerklasse I auch dann, wenn z. B. ein Geschwisterteil für den letztlich ihn als den Zahlenden begünstigenden Pflichtteilsverzicht eines anderen Geschwisters am Nachlass eines Elternteils zahlt.
Von dem Pflichtteilsverzicht mit dem Erblasser abzugrenzen ist der Erbschaftsvertrag nach § 311 b Abs. 5 (früher § 312 Abs. 2) BGB, bei dem ein künftiger gesetzlicher Erbe einem anderen aufgrund des zwischen ihnen – ohne den Erblasser – geschlossenen Vertrags, z. B. auch für den Verzicht auf die Geltendmachung künftiger Pflichtteils- oder Pflichtteilsergänzungsansprüche, zu Lebzeiten des Erblassers eine Gegenleistung erbringt. Der BFH hat hierzu entschieden, dass die Fiktion des § 7 Abs. 1 Nr. 5 ErbStG die Fälle des Erbschaftsvertrags zwischen Erbprätendenten nicht erfasst, weil hier die Schenkungsteuerpflicht aus § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG herrührt. Für die Praxis heißt das, dass wenn immer möglich der formelle Pflichtteilsverzicht iSd § 234 b Abs. 2 BGB unter Beteiligung des Erblassers geschlossen werden muss, wenn nur dadurch eine Steuerklassenverbesserung gegenüber der anderen Variante erreichbar ist.
1.2 Einkommensteuer
Für den Verzichtenden wirkt sich auch im EStG aus, dass keine Entgeltlichkeit des Geschäfts vorliegt mangels Vermögenswerts des Pflichtteils zu diesem Zeitpunkt. Soweit er einen Sachwert erhält, hat er keine Anschaffungskosten etwa iHd Wertes des Verzichts. Auch für den Zahlenden liegt eine einkommensteuerlich irrelevante Zahlung in der Privatsphäre vor. Er tätigt ebenfalls keine Anschaffungskosten auf einen künftigen Erwerb von Nachlassgegenständen.
Ist die Zahlung – unverzinst – hinausgeschoben (Stundung) oder wird sie in Raten geleistet, wirken sich die Unentgeltlichkeit und der zuvor fehlende Anspruch des Verzichtenden auch aus: Nach dem BFH liegen keine steuerbaren Zahlungen vor und kann auch insbesondere keine Verrentung einer bestehenden Forderung mit einem etwa einkommensteuerpflichtigen Zinsanteil unterstellt werden.