Das angesprochene "obiter dictum" des BGH schlägt an verschiedenen Stellen auch auf das Erb- und Erbschaftsteuerrecht durch bzw. wirft die vergleichbar gelagerte Frage nach der Behandlung latenter Steuern in diesem Zusammenhang auf, wobei diese insbesondere deren Berücksichtigung im Pflichtteilsrechts betrifft.
1. Erbfolge bei Ehegatten
Beim gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft wird im Erbfall bekanntlich der dem überlebenden Ehegatten gebührende Zugewinnausgleich gem. § 1371 I BGB pauschal mit einem Viertel der Erbschaft festgesetzt, wobei es gem. § 1371 I 2. HS BGB unerheblich ist, ob die Ehegatten tatsächlich einen Zugewinn erzielt haben ("erbrechtliche Lösung").
Der überlebende Ehegatte kann anstelle der pauschalen Abfindung grundsätzlich auch seinen konkret berechneten Ausgleichsanspruch nach § 1371 II, III BGB geltend machen ("güterrechtliche Lösung"). Diese Lösung greift dann, wenn der überlebende Ehegatte nicht Erbe wird. Er erhält dann den konkreten Zugewinnausgleich und nur den "kleinen Pflichtteil". Bei dieser konkreten, nach den güterrechtlichen Regelungen der §§ 1372 bis 1383, 1390 BGB durchzuführenden Berechnung des Zugewinns, ist konsequenterweise die angesprochene Rechtsprechung des BGH zur Abziehbarkeit latenter Steuerlasten sowohl bei der Bewertung des Betriebs- als auch des Privatvermögens zu berücksichtigen. Auch wenn sich bei dieser güterrechtlichen Lösung die Erb- und Pflichtteilsquote der anderen Pflichtteilsberechtigten gegenüber der erbrechtlichen Lösung in der Zugewinngemeinschaftsehe erhöht, schmälert die Ausgleichsforderung den Wert der Pflichtteilsansprüche u. U. erheblich. Im Rahmen der Prüfung einer "taktischen Ausschlagung" ist eine sich auf die Höhe des Zugewinnausgleichsanspruchs auswirkende latente Steuer entsprechend zu berücksichtigen. Denn diese "gedachten" Steuern wirken sich bei der Berechnung des Zugewinns auf das Pflichtteilsrecht, nämlich rechnerisch pflichtteilserhöhend, aus.
2. Lebzeitige Vermögensnachfolgegestaltung
Konsequenterweise wirkt sich die Berücksichtigung latenter Steuern beim Zugewinn auch in der lebzeitigen Vermögensnachfolgegestaltung aus. Oftmals bietet es sich an, Vermögen ohne Verbrauch von Freibeträgen im Rahmen des Zugewinnausgleichs auf den anderen Ehegatten zu übertragen (Güterstandswechsel), um dann ggf. wieder in den gesetzlichen Güterstand zurückzuwechseln (Güterstandsschaukel). So können Freibeträge (originär) vermögensloser(er) Ehegatten gegenüber Kindern und/oder Enkelkindern generiert und im Todesfall oder auch lebzeitig – durch sogenannte Kettenschenkungen – genutzt werden.
3. § 5 ErbStG – Zugewinngemeinschaft
Die den einzelnen Nachlassgegenständen immanente latenten Ertragsteuern sind folgerichtig auch bei der Erbschaftsbesteuerung von Ehegatten, nämlich den praxisrelevanten § 5 I ErbStG, zu berücksichtigen: Wird der Güterstand der Zugewinngemeinschaft durch den Tod eines Ehegatten beendet und der Zugewinn nicht nach § 1371 II BGB ausgeglichen (erbrechtliche Lösung gem. 1371 I BGB), gilt beim überlebenden Ehegatten der Betrag, den er nach Maßgabe des § 1371 II BGB als Ausgleichsforderung geltend machen könnte, nicht als steuerpflichtiger Erwerb. Es handelt sich dabei um eine rein erbschaftsteuerliche Größe in Höhe der fiktiven Zugewinnausgleichsforderung, welche konsequenterweise unter Berücksichtigung latenter Steuerlasten zu berechnen ist.