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In seiner Entscheidung vom 2.2.2011 zur Beachtlichkeit latenter Steuern bei einer Steuerberatungskanzlei im Zuge der Berechnung des Zugewinns, hat der BGH – ohne erkennbare Notwendigkeit – in einem "obiter dictum" angemerkt, dass es aus Gründen der Gleichbehandlung geboten sei, "eine latente Steuerlast auch bei der Bewertung anderer Vermögensgegenstände (etwa bei Grundstücken und Wertpapieren) zu berücksichtigen."
I. Einführung
Mit latenten Steuern sind dabei die (gedachten) Ertragsteuern gemeint, die anfallen würden, wenn ein Wirtschaftsgut gewinnbringend veräußert oder aus dem Betriebsvermögen in das Privatvermögen überführt wird. So kommt es bei der gewinnbringenden Veräußerung von Grundstücken unter bestimmten Voraussetzung zu einer Beteuerung von sonstigen Einkünften gem. § 23 I EStG und bei der von Wertpapieren zu Einkünften aus Kapitalvermögen gem. § 20 II EStG. Beim Verkauf von Betriebsvermögen oder Anteilen an Personengesellschaften werden Gewinne als Einkünfte aus Gewerbebetrieb gem. § 16 I, II EStG versteuert.
Die eingangs erwähnte weitreichende Aussage des BGH dazu, die Rede ist dabei unter anderem von einem "Albtraum" und "Meilenstein und Wendepunkt der güterrechtlichen Beratungspraxis", wirkt sich inzwischen erheblich auf die familienrechtliche Beratungspraxis aus. Nicht zu Unrecht wird darauf hingewiesen, dass der mandatierte Anwalt schon aus Haftungsgründen jede durch ihn erstellte Zugewinnbilanz von einem Steuerberater hierauf überprüfen lassen sollte.
II. Behandlung latenter Steuern im Erb- und Erbschaftsteuerrecht
Das angesprochene "obiter dictum" des BGH schlägt an verschiedenen Stellen auch auf das Erb- und Erbschaftsteuerrecht durch bzw. wirft die vergleichbar gelagerte Frage nach der Behandlung latenter Steuern in diesem Zusammenhang auf, wobei diese insbesondere deren Berücksichtigung im Pflichtteilsrechts betrifft.
1. Erbfolge bei Ehegatten
Beim gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft wird im Erbfall bekanntlich der dem überlebenden Ehegatten gebührende Zugewinnausgleich gem. § 1371 I BGB pauschal mit einem Viertel der Erbschaft festgesetzt, wobei es gem. § 1371 I 2. HS BGB unerheblich ist, ob die Ehegatten tatsächlich einen Zugewinn erzielt haben ("erbrechtliche Lösung").
Der überlebende Ehegatte kann anstelle der pauschalen Abfindung grundsätzlich auch seinen konkret berechneten Ausgleichsanspruch nach § 1371 II, III BGB geltend machen ("güterrechtliche Lösung"). Diese Lösung greift dann, wenn der überlebende Ehegatte nicht Erbe wird. Er erhält dann den konkreten Zugewinnausgleich und nur den "kleinen Pflichtteil". Bei dieser konkreten, nach den güterrechtlichen Regelungen der §§ 1372 bis 1383, 1390 BGB durchzuführenden Berechnung des Zugewinns, ist konsequenterweise die angesprochene Rechtsprechung des BGH zur Abziehbarkeit latenter Steuerlasten sowohl bei der Bewertung des Betriebs- als auch des Privatvermögens zu berücksichtigen. Auch wenn sich bei dieser güterrechtlichen Lösung die Erb- und Pflichtteilsquote der anderen Pflichtteilsberechtigten gegenüber der erbrechtlichen Lösung in der Zugewinngemeinschaftsehe erhöht, schmälert die Ausgleichsforderung den Wert der Pflichtteilsansprüche u. U. erheblich. Im Rahmen der Prüfung einer "taktischen Ausschlagung" ist eine sich auf die Höhe des Zugewinnausgleichsanspruchs auswirkende latente Steuer entsprechend zu berücksichtigen. Denn diese "gedachten" Steuern wirken sich bei der Berechnung des Zugewinns auf das Pflichtteilsrecht, nämlich rechnerisch pflichtteilserhöhend, aus.
2. Lebzeitige Vermögensnachfolgegestaltung
Konsequenterweise wirkt sich die Berücksichtigung latenter Steuern beim Zugewinn auch in der lebzeitigen Vermögensnachfolgegestaltung aus. Oftmals bietet es sich an, Vermögen ohne Verbrauch von Freibeträgen im Rahmen des Zugewinnausgleichs auf den anderen Ehegatten zu übertragen (Güterstandswechsel), um dann ggf. wieder in den gesetzlichen Güterstand zurückzuwechseln (Güterstandsschaukel). So können Freibeträge (originär) vermögensloser(er) Ehegatten gegenüber Kindern und/oder Enkelkindern generiert und im Todesfall oder auch lebzeitig – durch sogenannte Kettenschenkungen – genutzt werden.
3. § 5 ErbStG – Zugewinngemeinschaft
Die den einzelnen Nachlassgegenständen immanente latenten Ertragsteuern sind folgerichtig auch bei der Erbschaftsbesteuerung von Ehegatten, nämlich den praxisrelevanten § 5 I ErbStG, zu berücksichtigen: Wird der Güterstand der Zugewinngemeinschaft durch den Tod eines Ehegatten beendet und der Zugewinn nicht nach § 1371 II BGB ausgeglichen (...