1. Begriff
Bei den Berührungspunkten des Erbrechts mit dem Internet geht es um die rechtliche Zuordnung von Rechtspositionen, die durch das elektronische Medium vermittelt werden oder betroffen sind, wenn der Rechtsinhaber verstirbt. Angesprochen ist aber auch das Problem des anwendbaren Rechts und seiner Durchsetzung, wenn ein grenzüberschreitender Tatbestand vorliegt, etwa weil der betroffene Online-Dienst seinen Firmensitz im Ausland hat. Ausgangs- und Orientierungspunkt jeder erbrechtlichen Annäherung an das komplexe Thema bildet im deutschen Recht § 1922 Abs. 1 BGB, wonach "mit dem Tode einer Person (…) deren Vermögen (…) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (…)" übergeht. Damit stellt sich die Rechtsfrage, welche einzelnen Bestandteile der digitalen Hinterlassenschaft eines Menschen zum Vermögen iS der Vorschrift zählen. Da das Erbrecht den digitalen Nachlass als Rechtsbegriff nicht kennt, ist es nicht zulässig, zwischen dem "digitalen" und dem "übrigen" oder "sonstigen" Nachlass rechtlich zu unterscheiden. Erbrechtlich besteht stets nur ein einziger Nachlass, der sich aus verschiedenen Aktiva und Passiva zusammensetzt. Der Begriff des digitalen Nachlasses ist lediglich beschreibend, erklärend zu verstehen; keinesfalls sind damit klare rechtliche Zuweisungen verbunden. Für den Zweck dieses Beitrags sollen mit dem digitalen Nachlass diejenigen digitalen Rechtsverhältnisse bezeichnet werden, die sich im Erbfall in der Hand des Erblassers befunden haben und die informationstechnische Systeme betreffen, einschließlich des gesamten elektronischen Datenbestands.
2. Gesamtrechtsnachfolge und digitaler Nachlass
Der Gesetzgeber hat in den einschlägigen Sondergesetzen des Medien- bzw. Telekommunikationsrechts die Thematik des Todes des Rechteinhabers nicht geregelt. In der Literatur wird daher zumeist auf allgemeinere Rechtsgrundlagen und Regelungen zurückgegriffen, die – da sie dem Schuld- und Erbrecht entstammen – regelmäßig für die alte, nichtdigitale Welt geschaffen worden sind. Der Erbe tritt danach gem. § 1922 Abs. 1 BGB grundsätzlich in alle Verträge des Erblassers mit sämtlichen Rechten und Pflichten ein. Der Erblasser hat u. U. zeit seines Lebens zahlreiche Vertragsbeziehungen zu Host-, Access- oder E-Mail-Providern aufgebaut, ist in sozialen Netzwerken aktiv gewesen oder hat eigene virtuelle Konten, mehrere Online-Abonnements usw. besessen.
Der Vermögensbegriff des § 1922 Abs. 1 BGB wird grundsätzlich umfassend verstanden. Einschränkungen sind namentlich bei höchstpersönlichen Positionen zu machen, die regelmäßig nur eingeschränkt vererblich sind, da sie häufig so eng mit der Person des Verstorbenen verbunden sind, dass eine freie Übertragbarkeit ausgeschlossen ist. Während vor diesem Hintergrund in der jüngeren Vergangenheit die Auffassung vertreten wurde, es sei nach dem Inhalt der zu vererbenden Positionen des digitalen Nachlasses zu unterscheiden mit der Folge, dass nichtvermögenswerte digitale Inhalte mit dem Tod des Erblassers grundsätzlich untergehen würden, wird heute eine solche Differenzierung zunehmend abgelehnt. Einmal von dem praktischen Einwand abgesehen, diese Unterscheidung könne ohne Abgrenzungsschwierigkeiten kaum treffsicher gelingen, besteht das sog. Infektionsrisiko, da in den meisten Fällen wenigstens ein Inhalt mit Personenbezug vorhanden sein dürfte. Die restriktive Auffassung überzeugt aber auch rechtlich nicht. Es ist nicht ersichtlich, weshalb per se lediglich vermögenswerte und rein berufliche digitale Inhalte erbfähig sein sollen, nicht hingegen sämtliche nichtvermögenswerte bzw. private Internetpositionen. Zudem sind auch in der "nichtdigitalen Welt" durchaus nichtvermögenswerte Positionen bekannt, die im Wege der Universalsukzession im Erbfall übergehen. Das Erbrecht unterscheidet in § 1922 Abs. 1 BGB gerade nicht zwischen privaten und vermögensbezogenen Nachlassbestandteilen, wie sich namentlich aus § 2047 Abs. 2 BGB und § 2373 S. 2 BGB ablesen lässt. Es nimmt lediglich die Unvererblichkeit gewisser Rechte hin, die in der Regel höchstpersönlichen Charakter besitzen. Zudem lässt sich sachlich nicht begründen, weshalb etwa das Eigentum an dem Blatt Papier, auf dem ein privater Brief des Erblassers formuliert ist, unstreitig in den Nachlass fällt, dies aber dann nicht mehr gelten soll, wenn der Text nicht auf Papier, sondern in elektronischer Form niedergeschrieben wurde.
Daher ist der Meinung zu folgen, wonach der Begriff des Vermögens zunächst weit auszulegen ist und digitale Hinterlassenschaften grundsätzlich, ungeachtet ihres Inhalts, als Nachlassbestandteile auf den Erben übergehen. Eine grundsätzlich unterschiedliche Behandlung von digitalen und sonstigen Nachlassbestandt...