1. Grundsatz der Gesamtrechtsnachfolge

Der Blick auf den Rechtscharakter der vom Erblasser zeit seines Lebens abgeschlossenen Verträge über die Nutzung digitaler Angebote mag – je nach Vielfalt – ernüchtern, wird doch schon deren Einordnung in die bekannten Kategorien des BGB (Kauf-, Miet-, Werk- oder Dienstvertrag) nicht immer hinreichend eindeutig gelingen. Es kommt daher – erneut – entscheidend auf die Ausgestaltung der vertraglichen Beziehung an, die der Erblasser zu Lebzeiten mit dem konkreten Provider eingegangen ist. Nutzt jemand einen Online-Dienst, so schließt er mit dem Anbieter einen entsprechenden Vertrag, der Art, Inhalt und Umfang der Nutzung festlegt und der – wie bereits dargelegt – grundsätzlich im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf den Erben übergeht.[40] So geht beispielsweise nicht nur das Eigentum an einem Mobiltelefon im Erbfall auf den Erben über, der Rechtsnachfolger tritt grundsätzlich auch in die Rechtsstellung des Erblassers im dazugehörenden Providervertrag ein.[41] Doch längst nicht jedes Dauerschuldverhältnis geht beim Tod des Erblassers auf den Erben im Wege der Universalsukzession über.[42] Viele Musik-Streaming-Anbieter beispielsweise räumen ihren Vertragspartnern lediglich ein nichtübertragbares Nutzungsrecht ein.[43] Ähnlich verhält es sich bei Anbietern anderer elektronischer Nutzungsangebote, wie etwa von E-Books. Mangels gesetzlicher Sonderregelung gilt für diese Dauerschuldverhältnisse das Vertragsrecht, einschließlich der AGB der Provider.

[40] Kroiß/Horn/Solomon/Herzog (Fn 2), Teil 1/9 Rn 26 ff; Pruns, NWB 2013, 3164 f; aA Leeb, K&R 2014, 693, 694 f mit nicht überzeugender Behauptung, der Tod stelle eine auflösende Bedingung (§ 158 Abs. 2 BGB) dar, ohne auszuführen, wie diese Bedingung wirksam Vertragsbestandteil geworden sein soll.
[41] Deusch, ZEV 2014, 2, 7.
[42] Vgl. dazu allgemein Brox/Walker (Fn 11), Rn 11; Ebenroth (Fn 5), Rn 22 u. 23; Jauernig/Stürner (Fn 13), § 1922 Rn 10 ff.
[43] Vgl. etwa bei Yahoo, AGB Ziff. 5.4 (https://policies.yahoo.com/ie/de/yahoo/terms/utos/). ICloud AGB Ziff. 4D (http://www.apple.com/legal/internet-services/icloud/de/terms.html); Spotify AGB Ziff. 22 (https://www.spotify.com/de/legal/end-user-agreement/#s22). Siehe dazu Groll/Holzer (Fn 26), B XVII Rn 43, 63 ff.

2. Einschränkung im Wege der Vertragsgestaltung

Man mag, unter Zugrundelegung deutschen Rechts, die aktuell von einigen Providern verwendeten AGB, durch die eine Vererbbarkeit eines Online-Accounts ausgeschlossen wird, überwiegend für unwirksam halten, da sie angeblich einer Inhaltskontrolle nach §§ 307 ff BGB nicht standhalten sollen.[44] Obergerichtliche Rechtsprechung hierzu fehlt allerdings, weshalb man nicht von einer gesicherten Rechtslage sprechen kann. Hinzu kommt, dass die Ausführungen zu diesem Punkt in der Literatur teilweise sehr knapp und apodiktisch ausfallen, weshalb eine genauere Betrachtung geboten erscheint.

[44] So Kutscher (Fn 2), S. 128; Redeker, in DAV Stellungnahme 34/2013, S. 59 ff; offen gelassen von Kroiß/Horn/Solomon/Herzog (Fn 2), Teil 1/9 Rn 89 ff.

a) § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB

aa) § 1922 BGB als zwingendes Recht

Die Verbote der §§ 308 und 309 BGB erfassen Klauseln nicht, die die Übertragung bzw. Vererbbarkeit des Vertragsverhältnisses auf Dritte ausschließen. Zur Begründung der inhaltlichen Unwirksamkeit von Provider-AGB wird daher zumeist angeführt, dass die Klauseln zur Nichtübertragbarkeit eines Accounts oder von Nutzungsrechten gegen wesentliche Grundgedanken einer gesetzlichen Regelung gem. § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB verstoßen würden.[45] Es ist damit aber die Frage aufgeworfen, welcher Grundgedanke einer gesetzlichen Regelung dem vertraglichen Ausschluss der Vererbbarkeit entgegenstehen soll. Angeführt wird in der Literatur lediglich § 1922 BGB.[46] Diese Aussage steht in ihrer Pauschalität aber der hM entgegen, nach der die Vererbbarkeit eines vertraglichen Schuldverhältnisses durchaus im Wege der Parteivereinbarung eingeschränkt oder sogar ausgeschlossen werden kann.[47] Auch das Gesetz kennt zahlreiche Beispiele für die Beendigung bzw. die parteiautonome Nichtvererbbarkeit eines Rechtsverhältnisses, wie etwa § 727 Abs. 1 BGB aus dem Recht der GbR. Zu erinnern ist ferner an höchstpersönliche Verpflichtungen (vgl. etwa §§ 613 S. 1, 673 S. 1, 675 BGB) oder auch an Rechte oder Pflichten, die unmittelbar und daher unübertragbar mit der Person des Erblassers verknüpft sind. Es ist also nicht ohne Weiteres ersichtlich, ob Bestimmungen in den AGB, die die Vererbbarkeit von Nutzungsrechten rechtswirksam einschränken bzw. ausschließen, gegen zwingendes Gesetzesrecht verstoßen oder nicht.[48] § 1922 BGB ist hinsichtlich seines Prinzips der Gesamtrechtsnachfolge, also der Unaufteilbarkeit des Nachlasses, zwingende Natur beizumessen, was sich bereits aus § 2087 BGB ableiten lässt.[49] Ob § 1922 BGB aber deshalb als zwingendes gesetzliches Leitbild angesehen werden kann, von dem eine formularmäßige Abweichung hinsichtlich der Vererbbarkeit schuldrechtlicher Positionen per se nicht möglich ist, wird dadurch nicht beantwortet. Das Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge ist zwar nicht disponibel. Die Thematik aber, was recht...

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