I. Rechtswahl
Die vorstehend aufgezeigten Lebenssituationen machen deutlich, dass bereits die Frage, ob das spanische oder das Erbrecht eines anderen Staates anzuwenden ist, oft nur schwierig beantwortet werden kann. Dies legt es aus Sicht der Gestaltungspraxis nahe, die oftmals bestehende Rechtsunsicherheit durch Gestaltung der letztwilligen Verfügung zu beseitigen. Die Rechtswahl eines Erblassers ist allerdings beschränkt auf das Recht seiner Staatsangehörigkeit oder einer der Staatsangehörigkeiten, sollte er mehrere besitzen. Aus Sicht der deutschen Beratungspraxis für deutsche "Expats" in Spanien lautet die Empfehlung daher in der Regel pauschal zur Wahl des deutschen Erbrechts. Die Empfehlung zur Rechtswahl sollte aber stets sorgfältig geprüft werden und hängt maßgeblich von den Vorstellungen des Erblassers ab. Die besondere Schwierigkeit bei der Entscheidung für oder gegen die Rechtswahl liegt damit darin, zu prüfen, ob die Vorstellungen des Erblassers sich mit dem einen oder dem anderen Recht besser umsetzen lassen. Für die Frage Rechtswahl des deutschen Rechts oder das Beibehalten des spanischen Erbrechts kommt die besondere Schwierigkeit des Partikularrechts (s. o.) hinzu.
II. Umfang der Rechtswahl
Die Rechtswahl des Art. 22 Abs. 1 EuErbVO erfasst den gesamten Nachlass und wahrt damit den Grundsatz der Nachlasseinheit, wie in Art. 23 Abs. 1 EuErbVO ausdrücklich bestimmt. Der Erblasser kann also nicht für bestimmte Nach- lassgegenstände, etwa nach dem Ort der Belegenheit, das eine und im Übrigen das andere Recht wählen. Die Frage, ob eine Rechtswahl nach Art. 22 EuErbVO sinnvoll ist, muss daher umfassend danach beantwortet werden, ob mit dem Recht der eigenen Staatsangehörigkeit die gewollten Vorstellungen oder Zielsetzungen des Erblassers besser oder schlechter zu verwirklichen sind.
III. Anwendungsempfehlungen
Greift also die oftmals zu hörende Empfehlung an den in Spanien lebenden Deutschen, er möge die Rechtswahl zugunsten des deutschen Erbrechts treffen, zu kurz, stellt sich die Frage, welche Empfehlung ihm stattdessen zu geben ist.
1. Wahl deutschen Erbrechts
a) Gründe für die Wahl deutschen Rechts
Wird eine Rechtswahl getroffen, können sich die Beteiligten auf die materiellen Auswirkungen des Erbfalls verlassen und zwar auch dort, wo das anwendbare Recht nicht sicher festzustellen ist oder wegen möglicher Aufenthaltswechsel noch gar nicht sicher feststeht. Anders mag dies bei steuerlichen Auswirkungen sein. Die Rechtssicherheit ist aus Sicht der Gestaltungspraxis stets ein besonderer Wert, der gerade bei letztwilligen Verfügungen nicht zu unterschätzen ist, denn derjenige, dem die Wirkungen des Erbfalls gleichgültig sind oder der grundsätzlich das europäische Erbrecht in seiner Vielgestaltigkeit akzeptiert, wird sich bereits von vorn herein weder für die Errichtung eines Testaments noch für eine Erbrechtswahl interessieren, mithin regelmäßig auch nicht um Rat bitten. Die Rechtswahl schafft damit dem Erblasser Rechtssicherheit für die Zukunft.
Die Wahl deutschen Erbrechts bietet aus Sicht der deutschen Gestaltungspraxis vor allem aber auch den weiteren Vorteil, dass der mit der Vorbereitung der letztwilligen Verfügung beauftragte Notar oder Rechtsanwalt über die Wirkungen der letztwilligen Verfügung beraten und belehren kann. So hat etwa der Notar nach § 17 BeurkG Belehrungspflichten zu erfüllen. Diese umfassen nicht nur das gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht, sondern können praktisch alle erbrechtsrelevanten Probleme und Fragestellungen umfassen, etwa Fragen der Bindungswirkung bei gemeinschaftlichem Testament oder Erbvertrag. Zu Fragen ausländischen Erbrechts kann und wird der Notar idR nur ausnahmsweise beraten.
b) Zweifel an der grundsätzlichen Empfehlung der Rechtswahl
Mögen Gründe der Rechtssicherheit und der Beratungskompetenz aus Sicht deutscher Rechtsanwälte und Notare zunächst für eine Rechtswahl sprechen, ist damit noch nicht geklärt, ob die Rechtswahl auch ansonsten den Interessen des Erblassers entspricht. Die Rechtssicherheit ist ein hohes Gut, für den letzten Willen der Beteiligten, es ist aber stets auf den "wirklichen Willen" des Erblassers abzustellen. Dies ...