Nach unserer Auffassung sollte in der oben genannten Abwandlung bereits ein Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts vollzogen sein. Denn regelmäßig (und auch hier) ist eines der aufschlussreichsten Kriterien für den gewöhnlichen Aufenthalt die Dauer und Beständigkeit. In dem Moment, wo ein Aufenthalt zunächst einmal ohne zeitliches Limit begründet und dies insbesondere durch ein damit einhergehendes Sesshaft-Werden nach außen sichtbar unterstrichen wird, der Entschluss zum "zunächst zeitlich unbegrenzten Verbleib" also auch objektiv erkennbar nach außen tritt, wird es schwer sein, mit Hilfe anderer tatsachenbezogener Kriterien für einen abweichenden gewöhnlichen Aufenthalt, in obiger Abwandlung also vor allem mit Hilfe der familiären Bindung, zugunsten der Anwendbarkeit des deutschen Rechts zu argumentieren. Dass es lediglich auf den "zunächst zeitlich unbegrenzten Verbleib" ankommt, verdeutlichen folgende Beispiele:
Beispiel 2
Eine Göttinger Sportstudentin verbringt ihr Erasmus-Studium an der Universität der Balearischen Inseln in Palma de Mallorca. Geplant ist zunächst ein Aufenthalt für ein Semester, wobei sie die Möglichkeit hat, den Aufenthalt auch noch um ein weiteres Semester zu verlängern. Aufgrund einer Liaison mit einem Spanier und weil es ihr auf Mallorca sehr gut gefällt macht sie von der Verlängerungsoption ihres Erasmus-Stipendiums Gebrauch. Im vorletzten Monat ihres Aufenthalts verstirbt sie bei einem Tauchunfall.
Beispiel 2, erste Abwandlung: Die Liaison wird bereits nach kurzer Zeit zu einer ernsthaften Beziehung, weswegen sich die Sportstudentin dazu entschließt, auch nach Ende des Erasmus-Studiums erst einmal in Spanien zu bleiben und das reguläre Studium in Spanien fortzusetzen, um es dort auch zu beenden. Ihren skeptischen Eltern verspricht sie, mittelfristig wieder zurück nach Deutschland zu kehren. Ein konkreter Zeitpunkt oder Zeitraum steht jedoch nicht fest.
Beispiel 2, zweite Abwandlung: Wie Abwandlung 1, nur dass noch ein finaler Umzug von Deutschland nach Spanien ansteht, bei dessen Durchführung der gemietete Transporter, den die Sportstudentin steuert, auf Höhe der Autobahnabfahrt "Freiburg Mitte" in einen Unfall gerät und alle Insassen dabei versterben.
Beispiel 2, dritte Abwandlung: Wie Abwandlung 1, nur dass die Sportstudentin ihren Eltern am Telefon versprochen hat, noch zwei Wochen Bedenkzeit abzuwarten, ehe sie sich entscheidet. Am zehnten Tag der Bedenkzeit fährt sie alleine mit dem Fahrrad durch die mallorquinischen Berge. Die Schönheit der Natur überzeugt sie restlos – ihr Entschluss ist nun endgültig gefasst. Bei der Rückfahrt nach Palma stürzt sie, noch bevor jemand von ihrem Beschluss erfahren hat, mit dem Rad und verstirbt tragisch.
Stellt man Beispiel 2 mit dessen erster Abwandlung gegenüber, wird deutlich, dass im Grundfall zwar eine Verlängerungsoption gezogen, damit jedoch die zeitliche Begrenzung des Aufenthalts nur – abermals temporär definiert – nach hinten verschoben wurde. Der Aufenthalt war immer auf die Dauer des Erasmus-Studiums befristet und nie zeitlich unbeschränkt. Der gewöhnliche Aufenthalt lag folglich auch die gesamte Zeit in Deutschland. Anders ist dies in der ersten Abwandlung. Zwar hat hier die Erblasserin angedacht, mittelfristig nach Deutschland zurückzukehren. Zunächst ist der Verbleib jedoch zeitlich unbegrenzt. Denn ein konkretes Enddatum ist weder benannt noch anderweitig objektiv erkennbar. Zum gleichen Ergebnis kommt die zweite Abwandlung. Denn obwohl der Tod territorial (noch) in Deutschland eintritt, mithin vor Umzugsvollzug eintritt, ist durch den Umzugsantritt der Wille, den gewöhnlichen Aufenthalt wechseln zu wollen, bereits objektiv erkennbar geworden. Auf den Vollzug des tatsächlichen Wechsels kommt es mithin nicht mehr an.
Mit dieser Erkenntnis lässt sich auch die dritte Abwandlung lösen. Hier befindet sich die Erblasserin zwar bereits in Spanien und hat ihren Entschluss, dort zunächst unbefristet zu bleiben, bereits gefasst. Dieser Entschluss hat sich nach außen jedoch noch nicht manifestiert. Auch wenn der tatsächliche Aufenthalt zum Todeszeitpunkt in Spanien war und der Wille bestand, diesen auch dort zu belassen, reicht dies nicht, um einen gewöhnlichen Aufenthalt in Spanien zu begründen. Denn weder lässt sich vom tatsächlichen, objektiv erkennbaren Aufenthalt auf den Willen, dort zeitlich unbegrenzt bleiben zu wollen, schließen, noch ist der Wille anderweitig objektiv erkennbar nach außen getreten. Der gewöhnliche Aufenthalt liegt nach wie vor in Deutschland.
Die bisherigen Beispiele stellten stets auf die Beständigkeit des Aufenthalts ab. Aber auch die Dauer alleine kann bei zunächst unbegrenzten Aufenthalten ein entscheidender Faktor sein.
Beispiel 1, zweite Abwandlung: Der dauerhaft nach Spanien entsandte spanisch sprechende Ingolstädter Ingenieur mit Wohnsitz in Barcelona wohnt auch noch nach fünf Jahren in Spanien. Seine Besuche bei der Familie in Deutschland sind etwas weniger geworden. Er hält Kon...