Leitsatz
Errichtet ein Erblasser ein Testament, in welchem er über sein Vermögen umfassend verfügt, kann hierin ein konkludenter Widerruf einer vorangehenden der testamentarischen Verfügung entgegenstehenden rechtsgeschäftlichen Erklärung liegen, sofern dem Erblasser zu seinen Lebzeiten die Möglichkeit der einseitigen Lösung gegeben war. Ist dem Erblasser bewusst, in seiner letztwilligen Verfügung umfassend über sein Vermögen zu verfügen, so ist von diesem Bewusstsein ebenfalls umfasst, dass hierdurch eine vorangehende entgegenstehende Verfügung widerrufen wird. Es bedarf daher keines explizit auf den Widerruf der entgegenstehenden Verfügung gerichteten Erklärungsbewusstseins. Die in einem in amtlicher Verwahrung befindlichen Testament enthaltene Willenserklärung gilt als jedem gegenüber abgegeben, den es angeht. Es ist nicht erforderlich, dass derjenige auch in dem Testament bedacht ist.
BGH, Urteil vom 30. Januar 2018 – X ZR 119/15
Sachverhalt
Die Kläger verlangen als Erben und Testamentsvollstrecker der im Februar 2009 verstorbenen R. T. (Erblasserin) die Herausgabe der in einem von der Streithelferin des Beklagten verwalteten Wertpapierdepot der Erblasserin noch vorhandenen Wertpapiere und – soweit über diese vom Beklagten in der Zwischenzeit verfügt worden ist – Erstattung des Wertes. Der Beklagte ist der Ehemann einer Cousine der Erblasserin.
Die Erblasserin, die bei der Streithelferin des Beklagten ein Wertpapierdepot unterhielt, schloss mit dieser am 13.9.1976 eine schriftliche Vereinbarung, nach der mit dem Tod der Erblasserin das Eigentum an den zu diesem Zeitpunkt noch im Depot verwahrten Wertpapieren zunächst auf die Streithelferin übergehen sollte. Der Beklagte sollte mit dem Tod der Erblasserin das Recht erwerben, von der Streithelferin die Übertragung der auf diese übergegangenen Wertpapiere auf sich zu fordern, wobei der Beklagte ein von der Streithelferin zu übermittelndes Schenkungsangebot der Erblasserin mit dem Empfang der Nachricht über seine Begünstigung sollte stillschweigend annehmen können. Die Erblasserin behielt sich das Recht vor, die Vereinbarung gegenüber der Streithelferin einseitig durch schriftliche Erklärung aufheben zu können. Den Erben sollte dieses Recht nach dem Tode der Erblasserin nur bis zur Annahme des Schenkungsangebots durch den Beklagten zustehen. Diese Vereinbarung wurde dem Beklagten zu Lebzeiten der Erblasserin absprachegemäß nicht bekannt gegeben.
Mit privatschriftlichem, in amtliche Verwahrung gegebenem Testament vom 19.4.2007 setzte die Erblasserin die Kläger zu Erben und Testamentsvollstreckern ein. In Abschnitt 2 c des Testaments teilte sie ihr gesamtes bei der Streithelferin des Beklagten angelegtes Kapitalvermögen in der Weise auf, dass die eine Hälfte zu gleichen Teilen an namentlich benannte Mitglieder der Familie H. und die andere Hälfte zu gleichen Teilen an namentlich benannte Mitglieder der Familie W. gehen sollte. Der Beklagte ist in dem Testament weder in Abschnitt 2 c noch im Zusammenhang mit den weiteren Verfügungen bedacht oder erwähnt.
Die Streithelferin benachrichtigte den Beklagten am 27.5.2011 und damit gut zwei Jahre nach der Eröffnung des Testaments der Erblasserin telefonisch von der Vereinbarung vom 13.9.1976 und übertrug im Anschluss hieran den Inhalt des Wertpapierdepots auf den Beklagten. Die Kläger widerriefen die Verfügung der Erblasserin zugunsten des Beklagten am 11.7.2011. Zwischen den Parteien herrscht Streit darüber, ob der Inhalt des Wertpapierdepots wirksam auf den Beklagten übergegangen oder Bestandteil des Nachlasses geblieben ist.
Die von den Klägern erhobene Stufenklage, die auf der ersten Stufe auf Auskunft über den Bestand und Verbleib des bei der Streithelferin des Beklagten verwalteten Depots, auf der zweiten Stufe auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung und auf der dritten Stufe auf Herausgabe der noch vorhandenen Wertpapiere bzw. – soweit der Beklagte über die Wertpapiere Verfügungen getroffen hatte – auf Erstattung des Wertes gerichtet ist, hat das Landgericht abgewiesen. Auf die hiergegen gerichtete Berufung der Kläger hat das Berufungsgericht den Beklagten zur Erteilung der beantragten Auskunft über den Bestand und Verbleib des Wertpapierdepots verurteilt und die Sache hinsichtlich der übrigen Anträge zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.
Das Landgericht hat den Beklagten mit Schlussurteil zur Herausgabe der noch vorhandenen Wertpapiere und zur Erstattung des Wertes der von ihm veräußerten Wertpapiere iHv 270.630,16 EUR verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten hat das Berufungsgericht durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte weiterhin die Abweisung der Klage. Die Kläger treten dem Rechtsmittel entgegen.
Aus den Gründen
Die zulässige Revision hat im Ergebnis keinen Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Beklagte sei den Klägern gegenüber zur Herausgabe der no...