Leitsatz
Besteht der Auftrag des Mandanten an den Rechtsanwalt in der Erstellung eines Entwurfs eines Testamentes, so handelt es sich hierbei um eine Beratung und nicht die "Betreibung eines Geschäfts".
BGH, Urteil vom 22. Februar 2018, – IX ZR 115/17
Sachverhalt
Die Kläger sind Rechtsanwälte. Sie wurden von den in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammenlebenden Be-klagten am 20. August 2012 beauftragt, für beide Beklagte Vorsorgevollmachten, Patientenverfügungen und aufeinander abgestimmte Testamente zu entwerfen. Die Kläger übersandten den Beklagten die Entwürfe und schlugen ein ihre gesamte Tätigkeit abgeltendes Pauschalhonorar von 2.400 EUR zuzüglich 20 EUR Auslagenpauschale und gesetzlicher Umsatzsteuer vor. Mit Schreiben vom 11. September 2012 bestätigten die Kläger eine telefonische Einigung auf ein Honorar von insgesamt 1.400 EUR zuzüglich Auslagenpauschale und Umsatzsteuer und übersandten eine entsprechende Rechnung. Weil die Beklagten eine Zahlung weiterhin ablehnten, rechneten die Kläger mit Schreiben vom 7. November 2012 auf der Grundlage eines Gegenstandswerts von 168.000 EUR eine 1,6-fache Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG iHv 2.659,20 EUR nebst einer Auslagenpauschale von 20 EUR und 19 vH Umsatzsteuer, mithin insgesamt 3.188,25 EUR ab.
Das Amtsgericht hat der auf Zahlung dieses Betrags nebst Zinsen in gesetzlicher Höhe ab dem 25. November 2012 gerichteten Klage in der Hauptsache stattgegeben, jedoch Zinsen nur ab dem 12. März 2015 zugesprochen. Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg gehabt. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstreben die Beklagten weiterhin die Abweisung der Klage.
Aus den Gründen
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Das Berufungsgericht (ZEV 2017, 712) hat ausgeführt: Das Amtsgericht habe den Klägern zu Recht ein Honorar auf der Grundlage einer Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG zugesprochen. Die Tätigkeit der Kläger habe nicht lediglich eine Beratungsgebühr nach § 34 RVG ausgelöst. Eine Geschäftsgebühr entstehe für das Betreiben des Geschäfts und für die Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrags. Der den Klägern erteilte Auftrag, zwei inhaltlich dergestalt aufeinander abgestimmte Testamente zu entwerfen, dass der Widerruf des einen Testaments auch den Widerruf des anderen zur Folge gehabt hätte, sei auf den Entwurf von Verfügungen mit vertragsähnlicher Bindung gerichtet gewesen. Dies rechtfertige die Anwendung der Nr. 2300 VV RVG. Die Parteien hätten sich auch nicht auf eine niedrigere Vergütung geeinigt. Die Beklagten hätten die von den Klägern im Schreiben vom 11. September 2012 bestätigte Einigung bestritten. Es sei den Klägern auch nicht nach Treu und Glauben verwehrt, die gesetzliche Vergütung zu verlangen, weil bei den Beklagten kein Vertrauen auf eine Honorarvereinbarung begründet worden sei. Die Kläger hätten auch ihre Aufklärungspflicht nach § 49 b BRAO nicht verletzt. Es genüge der Hinweis, dass sich die Gebühren nach dem Gegenstandswert richten. Die Höhe der anfallenden Gebühren müsse ein Rechtsanwalt nicht ungefragt mitteilen. Die Behauptung der Beklagten, sie hätten nach den voraussichtlichen Kosten gefragt, sei verspätet und könne deshalb nicht berücksichtigt werden.
II. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die Vergütung der Kläger bemisst sich nicht nach § 2 Abs. 2 RVG, Nr. 2300 VV RVG, sondern nach § 34 Abs. 1 RVG.
1. Das durch das Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts vom 5. Mai 2004 geschaffene und am 1.7.2004 in Kraft getretene Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (RVG) unterscheidet in seiner seit dem 1.7.2006 geltenden Fassung für den Bereich der außergerichtlichen Tätigkeit des Rechtsanwalts zwischen der Tätigkeit der Beratung und derjenigen der Vertretung. Die Höhe der Vergütung des Rechtsanwalts bestimmt sich gemäß § 2 Abs. 2 RVG nach dem Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz. Das Vergütungsverzeichnis (fortan: VV RVG) regelt in seinem Teil 2 die Vergütung des Rechtsanwalts für außergerichtliche Tätigkeiten und sieht dort in dem mit "Vertretung" überschriebenen Abschnitt 3 unter Nr. 2300 eine Geschäftsgebühr iHv 0,5 bis 2,5 einer vollen Wertgebühr nach § 13 RVG vor. Die den Abschnitt 3 einleitende Vorbemerkung 2.3 bestimmt in Absatz 3, dass die Geschäftsgebühr für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information und für die Mitwirkung bei der Gestaltung eines Vertrags entsteht. Für die Erteilung eines mündlichen oder schriftlichen Rats oder einer Auskunft (Beratung) sah das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz in seiner ursprünglichen Fassung eine Rahmengebühr von 0,1 bis 1,0 einer vollen Wertgebühr vor (Nr. 2100 VV RVG aF). Seit dem 1.7.2006 bestimmt § 34 RVG, dass der Rechtsanwalt unter anderem für eine Beratung, die nicht mit einer anderen gebührenpflichtigen Tätigkeit zusammenhängt, auf eine Gebührenvereinbarung hinwirken soll. Wenn keine Vereinbarung getroffen ist, erhält de...