Witwer W hat die Kinder A und B. Er überträgt 11 Monate vor seinem Tod an sein Kind A ein Grundstück im Wert von 100.000 EUR gegen Pflichtteilsverzicht des A. Sein damaliges Vermögen betrug mit Einrechnung des Grundstücks 400.000 EUR. Aufgrund dieser Übertragung kam es zum Zerwürfnis mit dem weiteren Kind B, sodass A zum Alleinerben eingesetzt wird. Der Nachlass beträgt infolge krankheitsbedingter Kosten nur noch 200.000 EUR, sodass der ordentliche Pflichtteil 50.000 EUR beträgt. Hat B noch einen Ergänzungsanspruch von 25.000 EUR oder ist der Pflichtteilsverzicht des A im Rahmen der Schenkung eine entgelttaugliche Gegenleistung?
Lösung: Hat der Erblasser einem Abkömmling eine Abfindung für den Abschluss eines Erbverzichtsvertrags gewährt, so kann ein weiterer Abkömmling nach einer aktuellen Entscheidung des BGH hierauf gestützt dann keinen Ergänzungsanspruch nach § 2325 BGB geltend machen, wenn sich die Abfindung in dem Zeitpunkt, in dem sie erbracht wird, der Höhe nach im Rahmen der Erberwartung des Verzichtenden hält. Der BGH lässt leider etliche Fragen offen. Beim Erbverzicht ist zu beachten, dass gem. § 2310 Satz 2 BGB die Pflichtteilsquote der anderen Abkömmlinge erhöht wird.
Da diese Quotenerhöhung nach § 2310 Satz 2 BGB beim Pflichtteilsverzicht gegen Abfindung nicht stattfindet, qualifiziert die wohl hM ihn als unentgeltlich iSv § 2325 BGB, d. h. die Abfindungsleistung wird als Schenkung behandelt. Die Abfindungsleistung muss der Pflichtteilsergänzung unterliegen, so wie dies auch bei einer Zuwendung unter Pflichtteilsanrechnung nach § 2315 BGB der Fall ist. Es wird darauf hingewiesen, dass es sich bei der Abfindung häufig um eine Ausstattung iSv § 1624 BGB handeln wird, die pflichtteilsrechtlich über § 2316 BGB Bedeutung erlangt und bei der lediglich die Übermaßausstattung dann der Pflichtteilsergänzung nach § 2325 BGB unterfällt (vorbehaltlich einer Pflichtschenkung nach § 2330 BGB).
Nach aA ist die Abfindungsleistung für den Pflichtteilsverzicht – in Fortschreibung der Rechtsprechung des BGH: im Rahmen der Pflichtteilserwartungen – wie diejenige für den Erbverzicht entgeltlich und erzeugt damit keinen Ergänzungsanspruch. So hat etwa das LG Paderborn den Pflichtteilsverzicht einer Grundstücksübernehmerin als Gegenleistung eingeordnet, der auch einen wirtschaftlichen Wert verkörpere, da der Erblasser ohne Rücksicht auf das Pflichtteilsrecht des Verzichtenden testieren könne und daher über einen deutlich größeren Handlungsspielraum im Hinblick auf seinen Nachlass und die sonstigen Erben und Pflichtteilsberechtigten verfüge und insoweit Rechtssicherheit für seinen Erben erlange.
Lange will die Entscheidung der Streitfrage dem Einzelfall überlassen.