Nach wie vor sieht die geplante EU-ErbVO in Kapitel 3 Regelungen zur Harmonisierung des Erbkollisionsrechts der Mitgliedstaaten vor, die an den letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers anknüpfen (Art. 16 Abs. 1 EU-ErbVO). Die mit der vorgesehenen Regelanknüpfung verbundene Abkehr vom Staatsangehörigkeitsprinzip soll die grenzüberschreitende Mobilität der Unionsbürger fördern. Der gewöhnliche Aufenthaltsort ist der Schlüsselbegriff der geplanten EU-ErbVO, zumal er auch die allgemeine Zuständigkeit der Gerichte festlegt (vgl. Art. 4). Da sich im bisherigen Verordnungsentwurf dazu weder eine Definition noch eine Konkretisierung anhand von Regelbeispielen fand, wurde vielfältige Kritik geübt. Auch in der aktuellen Fassung fehlt eine hinreichend deutliche Erklärung. Es wird nur das Ziel vorgegeben, wonach der gewöhnliche Aufenthalt eine besonders enge und feste Bindung zu dem betreffenden Staat erkennen lassen soll (Erwägungsgrund Nr. 12 aE).
Nur wenig konkreter ist der neue Erwägungsgrund Nr. 12 a gehalten, der ein bisschen Licht ins Dunkel bringen soll. Aber was ist davon zu halten, wenn man dort eingestehen muss, dass es sich in "einigen Fällen als komplex erweisen (kann), den Ort zu bestimmen, an dem der Erblasser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte"? Diese "Komplexität" wird sodann wortreich beschrieben – aber nicht aufgelöst. Es wird lediglich ausgeführt, dass es auf den Lebensmittelpunkt in familiärer und sozialer Hinsicht ankomme, was einer schlichten Selbstverständlichkeit gleichkommt. Der weitere Hinweis darauf, dass der Ort, an dem sich die Nachlassgegenstände befinden, oder gar die Staatsangehörigkeit in diesem Kontext "besondere Faktoren" darstellen, könnte von Kritikern der Abkehr vom Staatsangehörigkeitsprinzip schon fast als Offenbarungseid gedeutet werden, zumal die Begründung für das Aufenthaltsprinzip mehr als dürftig ausfällt.
Sicherlich wird man, wie es in den Erwägungsgründen Nr. 12 und 12 a anklingt, sämtliche relevanten Tatsachen berücksichtigen und eine Gesamtbeurteilung aller tatsächlichen Umstände vornehmen müssen; aber auf welche kommt es dabei an? Ist der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts ausschließlich anhand objektiver Kriterien zu bestimmen oder soll es auch auf subjektive Elemente ankommen? Muss etwa der Aufenthaltsort vom Erblasser eigenverantwortlich gewählt werden oder ist er beispielsweise auch dann heranzuziehen, wenn ein demenzkranker Mensch von seinen Angehörigen zurück in die Heimat gebracht wird und der Aufenthaltswechsel damit fremdbestimmt ist? Wenn in diesem Zusammenhang festgestellt werden müsste, dass der Erblasser seinen Aufenthaltsort selbstbestimmt gewählt hat, welche Anforderungen sind dann an diesen Willen zu stellen?
Im Falle eines Auslandsstudiums oder von beruflich veranlassten vorübergehenden Auslandsaufenthalten soll sich nach Erwägungsgrund Nr. 12 a im Einzelfall ergeben können, dass sich der Lebensmittelpunkt des Erblassers dennoch in seinem Herkunftsland befand. Hier stellt sich insbesondere die Frage nach der zeitlichen Dimension, also konkret, was im Entwurf mit "längerer Zeit" gemeint ist.
Nach wie vor ist der Anwendungsbereich des Erbkollisionsrechts nach der EU-ErbVO universell, d. h., das so ermittelte Recht ist auch dann anzuwenden, wenn es nicht das Recht eines Mitgliedstaates ist (Art. 15 a EU-ErbVO). Regelungen zur Rück- und Weiterverweisung enthält Art. 26 EU-ErbVO; interlokale Kollisionsvorschriften finden sich in Art. 28 EU-ErbVO.