Die geplante EU-ErbVO will die Abwicklung grenzüberschreitender Erbfälle in der EU und im Verhältnis zu Drittstaaten vereinheitlichen und vereinfachen. Dazu sollen die nationalen Erbkollisionsrechte harmonisiert, die Zuständigkeiten der nationalen Gerichte in Erbsachen sowie die Vollstreckung von Entscheidungen vereinheitlicht und ein einheitliches Europäisches Nachlasszeugnis eingeführt werden.
Angeblich sollen jährlich rund 450.000 Erbfälle innerhalb der EU einen grenzüberschreitenden Bezug aufweisen, was vor allem als ein Beleg für den Bedarf an einer Vereinheitlichung des Erbkollisionsrechts herangezogen wird. Dieses ist derzeit im Europa der 27 Mitgliedstaaten stark zersplittert. Die meisten Rechtsordnungen knüpfen an die Staatsangehörigkeit des Erblassers an, während die Anknüpfung an das Wohnsitz- oder Aufenthaltsprinzip etwas weniger verbreitet ist. Die Niederlande verfolgen ein Mischsystem zwischen beiden Anknüpfungen. Uneinheitlich ist die Lage auch, wenn es um das Prinzip der Nachlasseinheit geht, wonach das durch die Kollisionsnorm berufene Recht die Erbfolge vollumfänglich, also unabhängig von der Art der Nachlassgegenstände und unabhängig davon regelt, wo sich einzelne Nachlassgegenstände befinden. Ebenfalls nicht einheitlich beantwortet sich die Frage, ob eine evtl. Verweisung als Sachnorm- oder aber Gesamtverweisung ausgestaltet ist. Auch akzeptieren längst nicht alle Mitgliedstaaten den Renvoi. Eine weitgehende Übereinstimmung findet sich lediglich bei der Testamentsform. 16 Mitgliedstaaten haben das Haager Testamentsübereinkommen ratifiziert, die übrigen besitzen weitgehend inhaltsgleiche Kollisionsrechte.
Die EU-ErbVO ist vom Grundsatz der weitgehenden Nachlasseinheit gekennzeichnet. Lediglich für Vermögen, das nach dem Belegenheitsrecht aufgrund von wirtschaftlichen, familiären oder sozialen Erwägungen besonderen materiell-rechtlichen Erbfolgeregelungen unterliegt (Hoferbfolge etc.), die nach der lex rei sitae unabhängig vom Erbstatut Anwendung finden, ist eine Durchbrechung vorgesehen (Art. 22 EU-ErbVO). Als Ausnahmeregelung soll Art. 22 EU-ErbVO eng ausgelegt werden, um die allgemeine Zielsetzung der Verordnung nicht zu gefährden (Erwägungsgrund Nr. 22).
Mit dem geplanten Europäischen Nachlasszeugnis (Art. 36 bis 44 a EU-ErbVO) soll vor allem die Abwicklung grenzüberschreitender Erbfälle erleichtert werden. Bislang bestehen teilweise erhebliche Schwierigkeiten bei dem Versuch, nach dem Erbfall gegenüber Nachlassgerichten im europäischen Ausland oder den dortigen registerführenden Stellen die Erbberechtigung nachzuweisen. Nicht selten beharrt man auf seinem jeweiligen nationalen Erbnachweis, was bei grenzüberschreitenden Erbfällen dazu führt, dass entsprechende Zeugnisse in verschiedenen Ländern beantragt werden müssen. Dadurch fallen nicht nur zusätzliche Kosten an, die Abwicklung des Nachlasses verzögert sich und es kann zudem zu erheblichen Friktionen kommen, etwa wenn der Erbnachweis in einem Mitgliedstaat gelingt und in einem anderen nicht.
Die künftige EU-ErbVO soll sowohl nach den Vorstellungen des Rates vom Januar 2012 als auch nach der Fassung der ersten Lesung vom März 2012 im Vergleich zum ursprünglichen Vorschlag aus dem Jahr 2009 erheblich umfangreicher ausfallen. Vor allem soll eine große Zahl an zusätzlichen Erwägungsgründen hinzugefügt werden, die teilweise den Charakter von Einzelkommentierungen besitzen.