1. Zulässigkeit und Wirksamkeit einer Verfügung von Todes wegen
Dem nach Art. 16 oder 17 EU-ErbVO ermittelten Erbstatut unterliegt gemäß Art. 19 Abs. 1 EU-ErbVO die gesamte Rechtsnachfolge von Todes wegen (vgl. Erwägungsgrund Nr. 18 d). Dazu zählen insbesondere die in Abs. 2 genannten Aspekte des Erbfalls, wie etwa die Ermittlung der Berechtigten, die Erbfähigkeit, die Enterbung und die Erbunwürdigkeit, die Haftung für Nachlassverbindlichkeiten oder die Testamentsvollstreckung. Für Verfügungen von Todes wegen soll sich künftig in Art. 19 a EU-ErbVO eine Sondervorschrift befinden. Diese wird hinsichtlich des Gesichtspunkts der materiellen Wirksamkeit ergänzt durch Art. 19 c und mit Blick auf die Formgültigkeit einer schriftlichen Verfügung von Todes wegen durch Art. 19 d EU-ErbVO konkretisiert.
Nach den Vorstellungen des aktuellen Verordnungsentwurfs werden die Zulässigkeit und die materielle Wirksamkeit einer Verfügung von Todes wegen dem Recht unterstellt, das nach der EU-ErbVO auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwenden wäre, wenn die Person, die diese Verfügung errichtet hat, zu diesem Zeitpunkt verstorben wäre, sog. Errichtungsstatut (Art. 19 a Abs. 1 EU-ErbVO, Erwägungsgrund Nr. 18 m). Die nach Art. 17 Abs. 1 EU-ErbVO zulässige Rechtswahl soll sich auch auf die Verfügung von Todes wegen erstrecken (Art. 19 a Abs. 2 EU-ErbVO). Entsprechendes gilt für Änderungen oder für den Widerruf einer Verfügung von Todes wegen (Art. 19 a Abs. 3 EU-ErbVO).
Um eine einheitliche Anwendung zu gewährleisten, enthält Art. 19 c EU-ErbVO nunmehr eine Liste derjenigen Elemente, die die materielle Wirksamkeit iSv Art. 19 a und 19 b EU-ErbVO betreffen (vgl. Erwägungsgrund Nr. 18 j). Dazu zählt die VO:
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die Testierfähigkeit, |
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die besonderen Einsetzungsbeschränkungen, |
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die Zulässigkeit der Stellvertretung bei der Errichtung, |
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die Auslegung der Verfügung und |
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die Fragen bezüglich des Testierwillens und der Willensmängel. |
Art. 19 c Abs. 2 EU-ErbVO stellt klar, dass eine einmal erlangte Testierfähigkeit durch einen späteren Wechsel des anzuwendenden Rechts nicht beeinträchtigt wird.
2. Besonderheiten bei Erbverträgen
Hinsichtlich der besonderen mit der materiellen Wirksamkeit von Erbverträgen verbundenen Rechtsfragen enthielt bislang Art. 18 EU-ErbVO eine Sonderanknüpfung, die dem Günstigkeitsprinzip folgte. Darin wurde (recht kompliziert) danach differenziert, ob der Erbvertrag den Nachlass nur einer oder aber mehrerer Personen betraf. Bedeutung und Reichweite von Art. 18 EU-ErbVO waren jedoch unklar. Nunmehr sollen die Erbverträge in einem neuen Art. 19 b EU-ErbVO geregelt werden; Ergänzungen finden sich in Art. 19 c. Hintergrund ist, dass Erbverträge zwischen Personen mit unterschiedlicher Staatsangehörigkeit erhebliche Anknüpfungsschwierigkeiten bereiten und dass viele Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsame letztwillige Verfügungen wegen deren Bindungswirkung untersagen, um die Testierfreiheit zu erhalten. Dabei kann es sich, je nach einschlägiger Rechtsordnung, um ein materielles Verbot oder um eine Formvorschrift handeln.
Vor diesem Hintergrund will Art. 19 b EU-ErbVO festlegen, welches Recht die Zulässigkeit solcher Verträge, ihre materielle Wirksamkeit und ihre Bindungswirkungen regeln soll (vgl. auch Erwägungsgrund Nr. 18 k). Die in Art. 19 b EU-ErbVO vorgeschlagene Anknüpfung differenziert danach, wie viele Personen an dem Erbvertrag beteiligt sind. Ein einseitiger Erbvertrag soll nach Abs. 1 dem Recht unterliegen, das nach Art. 16 EU-ErbVO anzuwenden wäre, allerdings rückbezogen auf den Zeitpunkt der Errichtung. Ein mehrseitiger Erbvertrag soll nach Art. 19 b Abs. 2 EU-ErbVO nur zulässig sein, wenn er nach jedem der Rechte zulässig ist, die nach der VO auf die Rechtsnachfolge der einzelnen beteiligten Personen anzuwenden wäre, stets bezogen auf den Zeitpunkt der Errichtung. Der Entwurf aus dem Jahr 2009 ließ es noch ausreichen, wenn der Erbvertrag nach dem Erbstatut nur eines der Beteiligten wirksam war. Mit dem Begriff der Zulässigkeit soll wohl deutlich werden, dass in Abs. 2 lediglich die materielle Wirksamkeit von Erbverträgen geregelt wird.
Nach Art. 19 b Abs. 3 EU-ErbVO ist nach wie vor eine einheitliche Rechtswahl geplant. Wählbar ist jede Rechtsordnung, die eine der beteiligten Personen unter Anwendung von Art. 17 EU-ErbVO wählen kann. Diese Wahl ist den Parteien dringend zu empfehlen, da aufgrund der geplanten Regelung in Art. 19 b Abs. 2 EU-ErbVO ansonsten der mehrseitige Erbvertrag nur wirksam ist, wenn er nach dem Recht beider Parteien zulässig ist. Angesichts der ablehnenden Haltung vieler nationaler Erbrechte gegenüber dem Erbvertrag ist damit nicht in sehr vielen Fällen zu rechnen.