Die EU-ErbVO ist, aller Vorbehalte hinsichtlich der Rechtsetzungskompetenz Europas zum Trotz, nicht mehr aufzuhalten. Mit ihr wird u. a. das Erbkollisionsrecht der beteiligten Mitgliedstaaten harmonisiert. Künftig ist allein das Recht des letzten gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Erblassers maßgeblich, wenn keine Rechtswahl getroffen wurde. Teilweise ist im aktuellen Entwurf auf die vielfältige Kritik am ersten Entwurf reagiert worden. Neu ist etwa, dass das Formstatut nicht länger vom Anwendungsbereich der EU-ErbVO ausgenommen sein und dass die Einschränkung der Ordre-public-Klausel für das Pflichtteilsrecht wegfallen soll.
Das strikte Abstellen ausschließlich auf den letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Erblassers wird im Einzelfall zu Anwendungsproblemen in der Praxis führen, die teilweise auf die wenig trennscharfen Kriterien der VO zurückzuführen sind. Der neue Ausnahmetatbestand des Art. 16 Abs. 2 EU-ErbVO wird dabei die Unklarheiten eher noch verstärken. In jedem Fall ist der Begriff des letzten gewöhnlichen Aufenthaltsorts verordnungsautonom auszulegen, wobei abzuwarten bleibt, ob er anhand eines speziellen erbrechtlichen Begriffsverständnisses entwickelt werden muss. Die Abkehr vom uns vertrauten Staatsangehörigkeitsprinzip zur Ermittlung des anwendbaren Rechts zwingt zur Neuorientierung. Hier sollte die dreijährige Übergangszeit genutzt werden, um letztwillige Gestaltungen mit Auslandsbezug an die sich ändernde Rechtslage anzupassen. Deutsche, die außerhalb ihres Heimatstaates ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, müssen sich bewusst werden, dass sie mit Inkrafttreten der EU-ErbVO eine Rechtswahl treffen müssen, wollen sie nicht, dass ihr Erbfall dem Erbrecht des Aufenthaltsstaates unterliegt. Beispielsweise müssen diejenigen Deutschen, die ihren Lebensmittelpunkt nach Spanien verlegt haben, hinsichtlich ihrer Nachfolgeplanung umdenken, wird ihnen doch durch die geplante VO ein Recht aufgedrängt, von dem sie wenig wissen und das sie vielleicht gar nicht wollen. Art. 50 Abs. 2 EU-ErbVO lässt eine Rechtswahl auch schon vor Beginn der Anwendung der VO zu.
Auf einen Blick
Die geplante europäische Verordnung über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung und die Vollstreckung von Entscheidungen und öffentlichen Urkunden in Erbsachen sowie zur Einführung eines europäischen Nachlasszeugnisses scheint nicht mehr aufzuhalten zu sein. Im Bereich des Erbkollisionsrechts wird sie zu einer Harmonisierung auf der Grundlage des letzten gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Erblassers führen, ergänzt durch eine Ausnahmeregelung und flankiert von einer engen Rechtswahlmöglichkeit. Das Formstatut soll ebenfalls vollharmonisiert werden und sich dabei inhaltlich am Haager Testamentsübereinkommen orientieren. Die aktuelle Fassung greift zwar einige Kritikpunkte auf, enthält aber dennoch nach wie vor einige zum Teil erhebliche Schwachpunkte. Auch wenn das neue Recht erst nach einer längeren Übergangsfrist gelten wird, sollte die sich abzeichnende Rechtsänderung schon heute im Rahmen der Gestaltung berücksichtigt werden.
Autor: Prof. Dr. Knut Werner Lange , Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, deutsches und europäisches Handels- und Wirtschaftsrecht an der Universität Bayreuth