Leitsatz
1. Setzt das Nachlassgericht eine Frist zur Inventarerstellung und läuft diese fruchtlos ab, so kann ein nach Ablauf dieser Frist gestellter Antrag auf Eröffnung Nachlassinsolvenzverfahrens eine Haftungsbeschränkung nicht mehr herbeiführen.
2. Das auf diesen Antrag eröffnete Nachlassinsolvenzverfahren führt somit nicht zu einer Unterbrechung des gegen die Erbin angestrengten Prozesses eines Nachlassgläubigers gemäß § 240 ZPO.
LG Karlsruhe, Beschluss vom 21. Februar 2014 – 2 C T 19/13
Sachverhalt
Die Beklagte wird als Erbin ihres Ehemannes auf Zahlung von stationären Behandlungskosten (...) durch die Klägerin in Anspruch genommen. Die Klägerin hat vor Einleitung des Verfahrens der Beklagten durch das Nachlassgericht eine Frist zur Erstellung eines Inventars gem. § 1994 BGB gesetzt, die von der Beklagten nicht eingehalten wurde. Die Beklagte hat ihrerseits beim Amtsgericht Pforzheim die Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens beantragt, das am 5.11.2013 eröffnet wurde (...). Daraufhin hat das Amtsgericht Pforzheim mit Beschluss vom 18.11.2013 unter gleichzeitiger Aufhebung des Verhandlungstermins festgestellt, dass das Verfahren aufgrund des Nachlassinsolvenzverfahrens gem. § 240 ZPO unterbrochen sei (...). Hiergegen richtet sich die am 22.11.2013 beim Amtsgericht eingegangene sofortige Beschwerde der Klägerin, mit der sie vorträgt, wegen der unbeschränkten Haftung der Klägerin habe das Insolvenzverfahren keine Auswirkungen auf den streitgegenständlichen Prozess.
Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung, da sie durch Einleitung der Nachlassinsolvenz ihre Haftung beschränken könne und zudem bereits bei Setzung der Inventarfrist erkennbar gewesen sei, dass eine Überschuldung des Nachlasses vorliege. Daher fehle es an der für eine unbeschränkte Haftung notwendigen Gläubigerbenachteiligung (§2006 BGB). Das Amtsgericht Pforzheim hat mit Beschluss vom 27.11.2013 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen (...).
Aus den Gründen
1. (...)
2. Die Beschwerde erweist sich auch als begründet, denn im konkreten Fall führt die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens gem. den §§ 315 ff der InsO entgegen der Rechtsauffassung des Amtsgerichts Pforzheim nicht zu einer Unterbrechung des Prozessverfahrens gem. § 240 ZPO.
a) Zwar wird vom Amtsgericht zutreffend erkannt, dass grundsätzlich im Falle einer Nachlassinsolvenz es zu einer Unterbrechung aller Aktiv- oder Passivprozesse des Erben kommt, soweit darin Nachlassverbindlichkeiten geltend gemacht werden (OLG Köln, NJW-RR 2003, 47 ff sowie Zöller/Greger aaO, Rn 7 zu § 240 ZPO).
Dies ergibt sich daraus, dass der Erbe seine Haftung für Nachlassverbindlichkeiten gem. § 1975 BGB auf den Nachlass beschränken kann und bei Überschuldung desselben einen Antrag auf Eröffnung eines Nachlassinsolvenzverfahrens stellen kann. Dies hat die Folge, dass während der Dauer dieses Verfahrens ein Nachlassgläubiger seine Ansprüche nur im Insolvenzverfahren geltend machen kann und erst nach Beendigung dieses Verfahrens gem. § 1989 BGB eine Haftung des Erben greift. Dies gilt jedoch nur dann, wenn eine beschränkte Erbenhaftung des Erben für Nachlassverbindlichkeiten nach § 1967 BGB gegeben ist.
b) Haftet der Erbe für Nachlassverbindlichkeiten jedoch unbeschränkt, so ergibt sich aus § 2013 Abs. 1 S. 1 BGB, dass die Haftungsbeschränkungen der §§ 1975, 1989 BGB nicht geltend gemacht werden können, sondern dass der Erbe von Nachlassgläubigern persönlich in Anspruch genommen werden kann (§ 784 Abs. 1 ZPO). Daraus folgt, dass die haftungsbeschränkenden Wirkungen des Nachlassinsolvenzverfahrens auch durch den unbeschränkt haftenden Erben gem. § 316 Abs. 1 der InsO möglich ist.
c) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist durch die Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens eine Unterbrechung des Verfahrens gem. § 240 ZPO im konkreten Fall nicht eingetreten.
Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Klägerin (Anm. der Redaktion: gemeint ist die Beklagte) auf die ihr vom Nachlassgericht gesetzte Frist zur Inventarerstellung nicht reagiert hat. Daraus ergibt sich als Rechtsfolge deren unbeschränkte Erbenhaftung gem. § 1994 Abs. 1 S. 2 BGB schon vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Die Beklagte kann nicht damit gehört werden, dass zum Zeitpunkt der Fristsetzung bereits die Überschuldung des Nachlasses absehbar gewesen wäre und sie daher nicht mit einer Gläubigerbenachteiligungsabsicht gehandelt habe.
Eine unbeschränkte Haftung des Erben ergibt sich bereits bei einer Inventarsäumnis gem. § 1994 Abs. 1 S. 2 BGB; ob darüber hinaus die Voraussetzungen einer Inventaruntreue gem. § 2005 Abs. 1 BGB vorliegen, ist deswegen unbeachtlich. (...)
ZErb 6/2014, S. 170 - 171