Leitsatz
1. Eine Auslegung der Übergangsvorschrift des Art. 12 § 10 NEhelG dahin, dass § 1589 Abs. 2 BGB aF auch bei vor dem 29.5.2009 eingetretenen Erbfällen nicht mehr anzuwenden ist, wenn das Gericht anderenfalls durch seine Entscheidung gegen die EMRK verstieße, kommt nicht in Betracht.
2. Die Übergangsvorschrift des Art. 12 § 10 NEhelG ist mit dem Grundgesetz vereinbar.
OLG Düsseldorf, Urteil vom 20. März 2015 – I-/ U 55/14
Sachverhalt
Der Kläger verlangt als Erbe, hilfsweise als Pflichtteilsberechtigter, von dem Beklagten Auskunft durch die Überlassung einer Abschrift eines Testaments sowie Übergabe eines geordneten Nachlassverzeichnisses. Der am 29.10.1943 geborene Kläger ist nichtehelicher Sohn des am 3.5.2009 verstorbenen deutschen Staatsangehörigen A (nachfolgend: "Erblasser"). Mit notarieller Urkunde vom 17.1.1944 erkannte der Erblasser die Vaterschaft hinsichtlich des Klägers an (Anlage K2, Bl. 7 GA).
Der Beklagte ist ehelicher Sohn des Erblassers.
Der Kläger wuchs nicht im Haushalt des Erblassers auf. Jedenfalls ab 1961 kam es zu wiederholten Kontakten des Klägers und des Erblassers, der den Kläger im Studium und auch später finanziell unterstützte. Der Kläger besuchte wiederholt das Ferienhaus des Erblassers in X, in welchem die Parteien jedenfalls im Jahr 1988 oder 1989 aufeinandertrafen. Ferner gab es mehrere Besuche des Klägers bei seinem Vater, auch nach dessen Umzug nach Y. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachvortrags der Parteien zu der familiären Verbindung wird auf die wechselseitigen Schriftsätze Bezug genommen.
Der Erblasser lebte langjährig in Deutschland, zuletzt auf G bei Z. Zum Zeitpunkt seines Todes lebte er gemeinsam mit seiner Ehefrau seit mehreren Jahren in Y.
Der Beklagte ist im Besitz des Nachlasses. Die Tochter des Klägers erhielt aufgrund eines Vermächtnisses des Erblassers 149.000,00 EUR.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, nach dem Erblasser gesetzlich als Erbe berufen zu sein. Er hat seine Kontakte mit dem Erblasser als enge familiäre Beziehung eingestuft und behauptet, das Verhältnis sei von gegenseitiger Zuneigung geprägt und intensiver gewesen, als vom Beklagten dargestellt. Er hat gemeint, jedenfalls deshalb könne sich der Beklagte nicht darauf berufen, dass er – der Kläger – als nichteheliches Kind von der Erbfolge ausgeschlossen sei.
Der Kläger hat beantragt, (...)
Der Beklagte hat beantragt, (...)
Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, der Kläger sei von der gesetzlichen Erbfolge ausgeschlossen. Er hat behauptet, es habe zwischen dem Kläger und dem Erblasser nicht eine enge familiäre Beziehung, sondern vielmehr große Distanz und weitgehend Gegnerschaft bestanden. (...)
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dem Kläger stünden die geltend gemachten Rechte deshalb nicht zu, da er keine erbrechtlichen Ansprüche gegen den Beklagten nach dem Erblasser geltend machen könne. Insoweit sei aufgrund der Überleitungsvorschrift des Art. 12 § 10 Abs. 2 NEhelG aF von der Fiktion des § 1589 Abs. 2 BGB in der bis zum 30.6.1970 geltenden Fassung auszugehen, nach der ein nichteheliches Kind und dessen Vater als nicht verwandt gelten. Die Aufhebung dieser Übergangsvorschrift sei nur mit Wirkung zum 29.5.2009 erfolgt, d. h. nach dem Eintritt des Erbfalls. Auch aus den Vorschriften der EMRK ergebe sich kein Anlass, hiervon abzuweichen. Soweit der EGMR davon ausgehe, dass das Erbrecht zwischen Kindern und Eltern in den Anwendungsbereich des Art. 8 Abs. 1 EMRK falle, wenn eine enge persönliche Verbindung zwischen Vater und Kind existiere, sei dem nicht zu folgen, da zur Beurteilung der persönlichen Verbindung eine individuelle Analyse der jeweiligen familiären Dynamiken erforderlich sei, die in Anbetracht der Komplexität gerichtlich nicht zu leisten sei. Unabhängig davon sei der Vortrag des Klägers zum Bestehen einer engen persönlichen Verbindung jedoch bereits nicht ausreichend, um den Schutzbereich des Art. 8 EMRK zu eröffnen.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger das erstinstanzliche Klagebegehren weiter. Er meint, die Entscheidung des Landgerichts verstoße gegen sein Recht auf Gleichbehandlung aus Art. 6 Abs. 5 GG iVm Art. 3 Abs. 1 GG. Das Grundgesetz sei insoweit im Sinne der Entscheidungen des EGMR vom 28.5.2009 und vom 7.2.2013 auszulegen. Er hält die Auffassung des Landgerichts zur Justiziabilität des Vater-Sohn-Verhältnisses für verfehlt; dieses unterliege durchaus der gerichtlichen Überprüfung und Feststellung. Insoweit verweist er auf den erstinstanzlichen Vortrag, den er wiederholt und vertieft, unter anderem durch Vorlage von Lichtbildern aus seiner Kindheit sowie aus späteren Jahren, die ihn gemeinsam mit dem Erblasser zeigen, teils im Kreis weiterer Familienangehöriger.
Der Kläger beantragt, (...)
Der Beklagte beantragt, (...)
Der Beklagte verteidigt das zu seinen Gunsten ergangene Urteil. Er wiederholt und vertieft den erstinstanzlichen Sachvortrag. (...)
Aus den Gründen
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
Der Kläger kann aus keinem rechtlichen ...