Die Entscheidung des BFH enthält allerdings leider (noch) keine Aussage darüber, ob diese Erklärung gegenüber dem Finanzamt nur während der für Pflichtteilsansprüche geltenden dreijährigen Verjährungsfrist oder auch noch danach möglich ist. In dem Fall des BFH lagen zwischen den beiden Erbfällen nur zwei Jahre, sodass der BFH auf die Frage nicht einzugehen brauchte. Bei dem Versuch, diese Frage zu beantworten, ist davon auszugehen, dass die Verjährungseinrede ein disponibles Recht des zur Zahlung des Pflichtteils Verpflichteten ist, in diesem Falle also des zuletzt verstorbenen Elternteils als Erbe des Erstverstorbenen. Das bedeutet, dass ein zivilrechtlicher Anspruch mit dem Ablauf seiner Verjährungsfrist nicht materiell erlischt. Die Verjährung verhindert nur die Durchsetzbarkeit des Anspruchs, und zwar ausschließlich im Wege der (prozessualen) Einrede. Aus dieser Rechtslage ist abzuleiten, dass die Erklärung über das "fiktive" Pflichtteilsverlangen gegenüber dem Finanzamt auch nach Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist die vom BFH anerkannte Wirkung haben muss. Dafür spricht die folgende Gedankenkette: a) Die Verjährungseinrede kann nur vom Pflichtteilsverpflichteten selbst oder seinem Rechtsnachfolger erhoben werden. b) Das Finanzamt ist zu dieser Einrede aus keinem (zivil- oder öffentlichrechtlichen) Aspekt berechtigt. c) Der hier Pflichtteilsverpflichtete (der zuletztverstorbene Elternteil) ist verstorben und kann die Einrede nicht mehr erheben. d) Rechtsnachfolger dieses Verpflichteten ist das Kind, das den ("fiktiven") Pflichtteilsanspruch nun quasi "gegen sich selbst" geltend macht. e) Das aber ist der typische Fall der Konfusion, durch die zivilrechtlich der Anspruch erlischt und die Einrede gegenstandslos wird. f) § 10 Abs. 3 ErbStG schließt aber die zivilrechtliche Konfusion steuerrechtlich aus, sodass sowohl der Pflichtteilsanspruch als auch die Verpflichtung mit der Möglichkeit zur Verjährungseinrede formal bestehen bleiben. g) Das mithin weiterhin pflichtteilsberechtigte Kind wird diesem (nun also gegen sich selbst bestehenden) Anspruch im Eigeninteresse keine Verjährungseinrede entgegenstellen. h) Im Ergebnis kann also der "fiktive" Pflichtteilsanspruch und der daraus resultierende Steuervorteil durch Nachholung des Freibetrags auch nach dem Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist für den Pflichtteilsanspruch steuerrechtlich nicht versagt werden.
Es ist zu hoffen, dass die nach der Entscheidung des BFH insoweit noch verbliebene "Restunsicherheit" alsbald durch die Finanzrechtsprechung (möglichst höchstrichterlich) beseitigt wird.
Alle hier aufgezeigten erbschaftsteuerlichen Probleme würden obsolet werden, wenn der Gesetzgeber, der sich nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 17.12.2014 über die Verschonung von Betriebsvermögen ohnehin erneut mit der Reform des ErbschStG befassen muss, sich dazu entschlösse, wie in einer großen Zahl anderer moderner Staaten in Europa geschehen, die Erbschaftsbesteuerung von Ehe- (und Lebens-)partnern unter dem Gesichtspunkt ganz abzuschaffen, dass die Vermögensbildung in aller Regel ein partnerschaftliches Gemeinschaftswerk ist, und der schicksalhafte Tod eines der Partner keine angemessene rechtlich oder wirtschaftlich relevante (Erwerbs-) Grundlage dafür sein kann, den überlebenden Partner zusätzlich zu seinem persönlichen und familiären Verlust auch noch mit einer in praxi wie eine Teilannektion wirkenden Steuer zu überziehen, und ihn gewissermaßen für die gemeinsam mit dem verstorbenen Partner zu dessen Lebzeiten legal und versteuert betriebene Vermögensbildung zu "bestrafen".