Der Gesetzesentwurf der Bundesregierung ist zu begrüßen. Dadurch wird nach innen und nach außen ein wichtiges Signal gesetzt, nämlich dass unabhängig vom Ort der Eheschließung und von den Staatsangehörigkeiten der Verlobten Ehen im deutschen Rechtskreis nur von Volljährigen wirksam eingegangen werden können. Der Gesetzesentwurf bedeutet zugleich zwar – auch für deutsche Staatsangehörige – eine Einschränkung der individuellen Handlungsfreiheit von Jugendlichen, mithin einen Eingriff in Art. 2 Abs. 1 GG. Da die Lebensform "Ehe" aber heutzutage gerade für deutsche Jugendliche im Vergleich zu früheren Zeiten an Bedeutung eingebüßt hat, überwiegt der staatliche Schutzauftrag, Minderjährige vor Eingehung einer potenziell lebenslangen Pflichtengemeinschaft zu bewahren. Die rechtliche Gleichstellung der nichtehelichen Kinder hat zudem dazu geführt, dass ein außerehelich geborenes Kind für die minderjährige Mutter keinen gesellschaftlichen Makel mehr nach sich zieht.
§ 237 StGB und § 1314 Abs. 2 Ziff. 4 BGB bieten keinen ausreichenden Schutz für unter 16-Jährige, da gerade bei im Ausland geschlossenen Ehen nicht geprüft werden kann, ob diese unter oder frei von Zwang zustande kamen. Insofern ist es legitim, abstrakt zu bestimmen, dass unter 16-Jährige einem hohen Beeinflussungsrisiko unterliegen – gerade ausländische Jugendliche aus Kulturen, die eine Eheschließung in jungen Lebensjahren befürworten, – und dass eine Ehe von unter 16-Jährigen grundsätzlich nicht den eigenen Wünschen des Minderjährigen zu verdanken ist. Liebeleien und Liebesbeziehungen soll der Minderjährige natürlich haben dürfen. Vor den weitreichenden Folgen und v. a. Pflichten einer Eheschließung soll er dagegen abstrakt bewahrt werden. Sollte es ihm tatsächlich ernst sein und sollte er tatsächlich in seinen noch sehr jungen Jahren heiraten wollen, kann ihm zugemutet werden, sich bis zur Volljährigkeit damit zu gedulden, zumal bis dahin die Ernsthaftigkeit der Beziehungen auf die Probe gestellt werden kann.
Da "Ehen" von unter 16-Jährigen per se wie Nicht-Ehen behandelt werden sollen, wird das neue Gesetz, auch wenn es das in Art. 13 EGBGB ehemals festgeschriebene Personalstatut der Nupturienten mit Wertungen des deutschen Rechts aus dem neuen § 1303 BGB im konkreten Fall des Ehemündigkeitsalters durchbricht, nicht nur Zwangsehen von Minderjährigen den Boden entziehen, sondern zugleich auch für die erforderliche Rechtsklarheit sorgen und zu einer wesentlichen Entlastung der deutschen Verwaltungsbehörden und der Gerichtsbarkeit führen.
Für die Gerichtsbarkeit werden nur noch wenige Fälle übrig bleiben. Aufzuhebende Ehen von 16- und 17-jährigen deutschen Staatsbürgern dürfte es so gut wie keine mehr geben. Das neue Gesetz wird zudem dafür sorgen, dass künftig im Inland keine Ehen von 16- und 17-Jährigen – unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit – mehr geschlossen werden können. Demnach werden von den Familiengerichten nur noch die Fälle zu verhandeln sein, in denen im Ausland geschlossene Ehen von 16- und 17-Jährigen aufzuheben sind. Dafür wird § 98 FamFG durch einen neuen Absatz, wodurch unabhängig vom Personalstatut die deutschen Gerichte für die Eheaufhebung zuständig werden, wenn sich der minderjährige Ehegatte im Inland aufhält, ergänzt, damit auch verfahrensrechtlich die erwünschten Rechtsfolgen des neuen Art. 13 EGBGB durchgesetzt werden können.
Der Gesetzesentwurf ist hinsichtlich dessen, dass für deutsche und ausländische Staatsangehörige ein einheitliches Ehemündigkeitsalter geschaffen wird bzw. mit anderen Worten, dass das jeweilige nach Art. 13 Abs. 1 EGBGB zur Anwendung kommende Heimatrecht dann, wenn es um die Frage der Ehemündigkeit geht, schlicht nicht mehr beachtet wird, konsequent. Das deutsche Ehemündigkeitsrecht tritt an die Stelle des ausländischen Heimatrechts, welches im Übrigen aber weiterhin Anwendung findet. Rechtsdogmatisch ist zu fragen, ob diesem ersten Anstoß zur teilweisen Nichtbeachtung des ausländischen Eheschließungsrechts in Fällen von weiteren unerwünschten ausländischen Eheschließungsmöglichkeiten (z. B. Polygamie) weitere Gesetzestaten folgen werden. Rechts- und gesellschaftspolitisch ist der durch den Gesetzesentwurf angestoßenen Rechtsentwicklung nur zuzustimmen, denn sie wird die noch bestehende Möglichkeit der Ehemündigkeitsdiskrepanz zwischen deutschen und ausländischen Ehegatten beseitigen.
Wichtigster Kritikpunkt des Gesetzesentwurfs ist sicherlich die schlichte gesetzliche Erklärung der Unwirksamkeit von Ehen von unter 16-jährigen ausländischen Staatsangehörigen. Die Überleitungsvorschriften, die bestimmen, dass die Unwirksamkeit für nach ausländischen materiellen Rechtsregeln geschlossene Ehen dann nicht eintreten soll, wenn der minderjährige Ehegatte 18 Jahre vor dem Inkrafttreten des deutschen Gesetzes geboren worden ist, und zudem dann nicht, wenn die nach ausländischem Recht wirksame Ehe bis zur Volljährigkeit des minderjährigen Ehegatten geführt worden ist und kein Ehegatte seit der...