Damit ist die Frage der Erbschaftsteuerrelevanz von Leistungen aus gekreuzten Lebensversicherungsverträgen aber noch nicht vollständig beantwortet.
Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 ErbStG wird der dem Ehegatten im Erbfall zustehende besondere Versorgungsfreibetrag (256.000 EUR) – der unter Berücksichtigung des § 16 ErbStG das steuerfreie Erwerbsvolumen bei Ehegatten güterstandsneutral auf bis zu 756.000 EUR erhöht – um "den nach § 14 BewG zu ermittelnden Kapitalwert von nicht der Erbschaftsteuer unterliegenden Versorgungsbezügen", die dem überlebenden Ehegatten aus Anlass des Todes des Erblassers zustehen, gekürzt.
Stellt die Versicherungssumme aus einer gekreuzten Lebensversicherung einen derartig berücksichtigungsfähigen Posten in § 17 Abs. 1 Satz 2 ErbStG dar?
Die einschlägige Literatur schweigt sich hierzu weitestgehend aus; eine ausdrückliche gerichtliche Entscheidung fehlt bislang. ErbStR und ErbStH 2003 und 2011 geben kein Indiz.
1. BFH – II R 43/94
Unter Bezugnahme auf ein Urteil des BFH aus dem Jahre 1997 vertritt etwa Andres die Auffassung, dass "(...) in Höhe des Zahlungsanspruchs gegen den (Versicherer) (…) ein eventuell vorliegender Versorgungsfreibetrag des Begünstigten iSv § 17 ErbStG gekürzt (wird)." Entgegen der Auffassung des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz habe der BFH entschieden, "dass der Versorgungsfreibetrag (…) durch alle von der Erbschaftsteuer nicht erfassten Versorgungsleistungen gekürzt wird, (…). Dies bedeutet, dass bei Ehepartnern (…) derartige Gestaltungen (VN = Begünstigter) zur Kürzung des Versorgungsfreibetrages nach § 17 (Abs. 1 Satz 2) ErbStG führen."
Andres ist zuzugestehen, dass der BFH in einer ihm eher unüblichen, generalisierenden Weise davon gesprochen hat, dass "alle von der Erbschaftsteuer nicht erfassten Versorgungsleistungen bei der Kürzung des besonderen Versorgungsfreibetrags (…) zu berücksichtigen (sind) (…)." Insofern scheint die Übertragung der Entscheidung auf gekreuzte Lebensversicherungen auf den ersten Blick logisch, denn auch hier unterfällt die Leistung nicht der Erbschaftsteuer.
Folgt man diesem Verständnis, führt dies in bestimmten Konstellationen dazu, dass die mit Abschluss gekreuzter Versicherungsverträge verfolgte Steuerfreiheit "durch die Hintertür" bis zur Höhe des Versorgungsfreibetrags von Ehegatten faktisch entfällt, namentlich wenn
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keine sonstigen kürzungsrelevanten Versorgungsbezüge vorliegen (was im unternehmerischen Bereich typischerweise der Fall ist) und |
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der persönliche Freibetrag des Ehegatten nach § 16 ErbStG und etwaige weitere Verschonungsregelungen nicht hinreichen, um den steuerpflichtigen Erwerb, § 10 ErbStG, auf null zu drücken. |
Die Todesfallsumme würde zwar nach wie vor nicht als Erwerb direkt versteuert. Durch die Abschmelzung des Versorgungsfreibetrags (bis auf null) "erhöht" sich aber der zu versteuernde erbrechtliche Erwerb des überlebenden Ehegatten. Verdeutlichen soll dies eine Gegenüberstellung der Berechnung am vereinfachten
2. Fallbeispiel
M, Unternehmer, stirbt kinderlos und hinterlässt ein Vermögen in Höhe von 4 Mio. EUR überwiegend in nicht kurzfristig fungiblen Sachwerten (z. B. Immobilien). E, mit der er im gesetzlichen Güterstand verheiratet war, ist Alleinerbin. E hatte, ohne nennenswertes eigenes Vermögen, für ihre Versorgung aus Unterhaltsleistungen ihres Mannes eine Risikolebensversicherung über 250.000 EUR auf seinen Tod abgeschlossen. Nach Abzug des Zugewinnausgleichsfreibetrags, § 5 Abs. 1 ErbStG, der einschlägigen Steuerbefreiungen, § 13 Abs. 1 Nr. 4 b ErbStG (Familienheim), und des persönlichen Freibetrags (§ 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) verbleibt – ohne Berücksichtigung von § 17 ErbStG – ein steuerpflichtiger Erwerb in Höhe von 840.000 EUR. Anderweitige Versorgungsbezüge für E bestehen nicht.
Je nachdem, ob man die Lebensversicherungssumme über § 17 Abs. 1 Satz 2 ErbStG berücksichtigt oder nicht, ergeben sich für E ganz unterschiedliche Liquiditätssitua...