Einführung
Lebensversicherungen sind im mittelständischen Bereich ein häufig anzutreffender Baustein der Vermögensnachfolgeplanung. Gerade mit befristeten Risikolebensversicherungen kann mit geringem wirtschaftlichem Aufwand ein erheblicher Liquiditätspuffer für den ("vorzeitigen") Erbfall vorgehalten werden. Über die direkte Erbschaftsteuerfreiheit kreuzweise abgeschlossener Lebensversicherungen besteht Einigkeit. Droht aber womöglich eine indirekte Besteuerung, weil die Versicherungssumme gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 ErbStG bei der Kürzung des Versorgungsfreibetrags zu berücksichtigen ist?
I. Flucht in gekreuzte Lebensversicherungen
Lebensversicherungen – gleich ob mit oder ohne Erlebensfallleistung – erfreuen sich im Rahmen der Nachfolgeplanung seit Langem großer Beliebtheit: Zum 31.12.2010 bestanden in Deutschland 90,5 Mio. Hauptversicherungen mit einer kumulierten Versicherungssumme von 2,6 Bio EUR.
Neben der unmittelbaren Versorgung der Familie dienen gerade Risikolebensversicherungen häufig der Deckung spezifischer im Erbfall drohender Liquiditätsströme, die dann unter Schonung des regelmäßig nicht kurzfristig liquidierbaren Sachvermögens im Nachlass befriedigt werden sollen: Pflichtteilsansprüche, Abfindung weichender Miterben, Erbschaftsteuerbelastungen.
Schließt der Erblasser den LV-Vertrag selbst ab und räumt seinem Ehegatten das Bezugsrecht für den Todesfall ein, unterliegt die Versicherungssumme der Erbschaftsteuer, § 3 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG, wiewohl sich der zivilrechtliche Erwerb "am Nachlass" vorbei vollzieht. Erwirbt der Ehegatte daneben Vermögen durch Erbeinsetzung, Vermächtnis oder aufgrund eines geltend gemachten Pflichtteils, werden Versicherungssumme und übriger Erwerb addiert und zusammen in einer Summe versteuert. Nicht selten kommt es dabei zu einem besonderen Ärgernis: Die LV-Summe führt zu einem Progressionssprung (Vollmengenstaffeltarif!) und es kommt – vorbehaltlich der Härtefallregelung, § 19 Abs. 3 ErbStG – zu einer Höherbesteuerung des Gesamterwerbs.
Gerade bei Eheleuten wird daher in der Nachfolgeberatung häufig zum Abschluss gekreuzter Lebensversicherungen geraten, bei denen jeder Ehegatte als Versicherungsnehmer auf das Leben des Ehepartners als versicherter Person eine Versicherung abschließt. Der VN ist beim Tod des Ehegatten dann aus eigenem Vertrag bezugsberechtigt. In diesem Fall greifen weder § 3 Abs. 1 Nr. 1 noch Nr. 4 ErbStG, die Auszahlung der LV-Summe an den VN stellt per se keinen der Erbschaft- oder Schenkungsteuer unterliegenden Erwerb dar.
II. Steuerpflicht durch die "Hintertür"?
Damit ist die Frage der Erbschaftsteuerrelevanz von Leistungen aus gekreuzten Lebensversicherungsverträgen aber noch nicht vollständig beantwortet.
Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 ErbStG wird der dem Ehegatten im Erbfall zustehende besondere Versorgungsfreibetrag (256.000 EUR) – der unter Berücksichtigung des § 16 ErbStG das steuerfreie Erwerbsvolumen bei Ehegatten güterstandsneutral auf bis zu 756.000 EUR erhöht – um "den nach § 14 BewG zu ermittelnden Kapitalwert von nicht der Erbschaftsteuer unterliegenden Versorgungsbezügen", die dem überlebenden Ehegatten aus Anlass des Todes des Erblassers zustehen, gekürzt.
Stellt die Versicherungssumme aus einer gekreuzten Lebensversicherung einen derartig berücksichtigungsfähigen Posten in § 17 Abs. 1 Satz 2 ErbStG dar?
Die einschlägige Literatur schweigt sich hierzu weitestgehend aus; eine ausdrückliche gerichtliche Entscheidung fehlt bislang. ErbStR und ErbStH 2003 und 2011 geben kein Indiz.