Die Beratungen zum Nachlasszeugnis gestalteten sich aus in der Materie liegenden Gründen besonders schwierig. In vielen Mitgliedstaaten war bisher ein solches Nachlasszeugnis unbekannt.
Es wurde als eine mit Rechtskraft ausgestattete Entscheidung missverstanden, eine auch in Deutschland häufig anzutreffende Fehleinschätzung. Seine Qualifikation als mit Gutglaubensschutz versehener Rechtsnachweis und die Funktion der beglaubigten Abschrift waren nicht immer leicht zu vermitteln und stießen auf Vorbehalte sowohl bei den Kollegen im EP wie auch den Vertretern einiger Mitgliedstaaten. Die Einschränkung des Gutglaubensschutzes bei grober Fahrlässigkeit geht auf diese Bedenken zurück, ebenso die zunächst nur für drei Monate vorgesehene Wirksamkeit der "beglaubigten Abschrift" des Nachlasszeugnisses.
Dem Vorschlag des EP, die Gültigkeit der beglaubigten Abschrift auf sechs Monate zu verlängern, wurde erst Ende 2011 gefolgt, und der weitere Vorschlag des EP, in begründeten Ausnahmefällen eine längere Gültigkeitsdauer zu ermöglichen (Art. 70 Abs. 3 EU-ErbVO), wurde erst in der Schlussrunde am 16.2.2012 akzeptiert.
Die Regelungen zu den Zuständigkeiten waren politisch eigentlich wenig umstritten, aber rechtstechnisch außerordentlich schwierig. Dies lag u. a. darin begründet, dass auf die völlig unterschiedlichen Gegebenheiten in den einzelnen Mitgliedstaaten zu Recht Rücksicht genommen werden musste. So wurde z. B. mein Vorschlag, zwischen streitigen und nicht streitigen Verfahren zu unterscheiden, nicht weiter verfolgt, weil diese Unterscheidung in den einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich getroffen wird. Ein besonderes Problem war die Zuständigkeit für die Ausstellung des Europäischen Nachlasszeugnisses. Politisch war sowohl bei der Kommission als auch im Parlament und auch im Rat unumstritten, dass die bisherigen Systeme der nationalen Erbnachweise unangetastet bleiben sollten, wie es bereits im Vorschlag der Kommission (Art. 36 KO-Vorschlag) und auch im Gesetzestext der EU-ErbVO selbst (Art. 62 Abs. 3 EU-ErbVO) ausdrücklich festgehalten wird. Insbesondere soll sich die internationale Zuständigkeit zum Erlass nationaler Erbnachweise und Testamentsvollstreckerzeugnisse nach wie vor nach dem nationalen Recht richten – die Erbrechtsverordnung gebietet hier keine Einschränkungen. Auch war politisch unumstritten, dass die ganzen Verfahren möglichst liberal und für die Bürger einfach gehalten sein sollten; sie sollten den Weg wählen können, der ihnen am geeignetsten erscheinen würde. Andererseits mussten die Zuständigkeiten wegen der grenzüberschreitenden Anerkennung von "Entscheidungen" und auch des Europäischen Nachlasszeugnisses verbindlich geregelt werden. Die großen Schwierigkeiten zeigen sich auch an der Definition von "Gerichte", für die schließlich in der EU-ErbVO ein eigener Absatz (Art. 3 Abs. 2) und ausführliche Erwägungen (Erw. 20–22) formuliert wurden. Nach dem Vorschlag der Kommission wären für die Ausstellung des Europäischen Nachlasszeugnisses nur Gerichte iSd Definition der EU-ErbVO zuständig gewesen. In vielen Mitgliedstaaten (so z. B. in Frankreich, Belgien oder auch in den Niederlanden) hätten Notare damit nicht betraut werden können. Dies war nicht gewollt. Ich hatte deshalb bereits in meinem Bericht für den Rechtsausschuss vorgeschlagen, die Zuständigkeit für die Ausstellung des Europäischen Nachlasszeugnisses funktional für "Ausstellungsbehörden" zu öffnen, die nicht unter die Definition von "Gericht" fallen mussten. Gleichzeitig sollte aber die internationale Zuständigkeit weiter gemäß Kap. II (Artt. 4 ff EU-ErbVO) bestimmt werden. Dieser Vorschlag wurde von der Kommission übernommen und ist jetzt in Art. 64 EU-ErbVO eleganter formuliert. Die Bindung an die internationale Zuständigkeit beruht darauf, dass das Europäische Nachlasszeugnis zwar keine einer Rechtskraft zugängliche Entscheidung ist, wohl aber grenzüberschreitend beachtet werden muss. Es liegt auf der Hand, dass in diesem Falle die Beteiligten sich nicht eine beliebige ihnen genehm erscheinende Behörde sollten aussuchen können. Der entscheidende Grundgedanke der Verbindlichkeit der Regeln der EU-ErbVO über die internationale Zuständigkeit ist, dass diese dort gelten müssen, wo Entscheidungen oder sonstige Maßnahmen wie auch die Ausstellung des Europäischen Nachlasszeugnisses grenzüberschreitend anerkannt werden müssen. Zu ergänzen ist dieser grundsätzliche Ansatz mit dem vorhin bereits erwähnten unumstrittenen Grundsatz, dass die seitherigen gewohnten nationalen Verfahren zur Nachlassregelung unangetastet bleiben und die Bürger insoweit größtmögliche Freiheit haben sollten, welches Verfahren sie wählen wollen. Daraus folgt aus meiner Sicht, dass jedenfalls das deutsche Nachlassverfahren nicht durch die Zuständigkeitsregeln der EU-ErbVO gebunden ist. Das Nachlassgericht mag zwar auf den ersten Blick ein "Gericht" iSv Art. 3 Abs. 2 EU-ErbVO sein, aber es trifft im nationalen Erbscheinsverfahren bei der Ausstellung eines nationalen...