Die Übergangsbestimmungen sind gegenüber dem Vorschlag der Kommission ganz erheblich verändert worden. Sie enthalten zunächst Bestimmungen, nach denen früher unwirksam gewesene Verfügungen, auch Rechtswahlen, geheilt werden können. Dies gilt auch dann, wenn sie nicht im Hinblick oder gar unter Berufung auf die – künftige – EU-ErbVO getroffen wurden. Es kommt allein darauf an, dass sie die Bestimmungen der EU-ErbVO erfüllen. Diese heilenden Wirkungen standen jedoch nicht im Vordergrund der Überlegungen.
Von zentraler Bedeutung war für das EP vielmehr die Wirksamkeit iSd Wirksambleibens von Verfügungen von Todes wegen einschließlich Rechtswahlen. Unabhängig davon, wie man Rechtswahlen letztlich qualifiziert, stehen sie in diesem Zusammenhang Verfügungen von Todes wegen gleich und bedürfen desselben Schutzes. Nach dem Vorschlag der Kommission sollten ab 17.8.2015, dem Tag der Anwendbarkeit der EU-ErbVO, nur noch deren Bestimmungen gelten, womit eine Vielzahl früherer Rechtswahlen (darunter auch solche nach dem niederländischen IPR, insbesondere aber alle nach Art. 25 Abs. 2 des deutschen EGBGB) unwirksam geworden wären. Dies hätte gravierende Konsequenzen für die Erbfolge nach den betreffenden Erblassern gehabt. Auch hätten Verfügungen von Todes wegen z. B. wegen Statutenwechsels unwirksam werden können. Die Kommission hatte für ihren Vorschlag Unterstützung im Rat. Beide standen den Vorschlägen des EP eher ablehnend gegenüber. Es sollte nur noch ein in sich geschlossenes Regelwerk gelten. Rein "juristisch" kann man das so sehen. Entscheidend ist aber nicht die – auch von mir durchaus geschätzte – juristische Ästhetik, sondern entscheidend sind die Menschen und deren Verfügungen von Todes wegen. Im Sinne des favor testamenti sollte nach einhelliger Auffassung des EP soweit wie möglich ausgeschlossen werden, dass wegen der Anwendung der EU-ErbVO Verfügungen von Todes wegen oder Rechtswahlen unwirksam werden. Es war ein zähes Ringen, das erst in der schon erwähnten Schlussrunde der Triloge am 16.2.2012 mit dem Ergebnis, wie es in Art. 83 EU-ErbVO niedergelegt ist, abgeschlossen werden konnte.
Diese grundlegenden Wertungen des Gesetzgebers kommen in den Formulierungen des Art. 83 Abs. 2, Abs. 3 und nicht zuletzt auch der Fiktion in Abs. 4 deutlich zum Ausdruck. Letztere ist auch Hintergrund von Artikel 22 Abs. 2 der EU-ErbVO, wo die Möglichkeit einer konkludenten Rechtswahl ausdrücklich anerkannt wird und darüber hinaus das dort ursprünglich vorgesehene Wort "eindeutig", welches in ähnlichen Formulierungen in den Verordnungen Rom I und Rom II enthalten ist, ausdrücklich nicht aufgenommen wurde.
Art. 83 Abs. 2 EU-ErbVO versucht, den Verfügungen der Menschen Rechnung zu tragen, die in Anwendung des IPR ihres Heimatstaates oder ihres Aufenthaltsstaates eine Rechtswahl vorgenommen und in diesem Sinne ihren Nachlass gestaltet haben. Betroffen sind keineswegs nur Rechtswahlen nach dem IPR der Niederlande oder Deutschlands, sondern auch solche nach Rechtsordnungen außerhalb der EU.
Lassen Sie mich auf die spezielle Frage der Teilrechtswahl nach deutschem IPR etwas näher eingehen.
Zunächst ist klar, dass die Rechtswahl eines Franzosen oder Niederländers, der für seinen in Deutschland belegenen Grundbesitz die Geltung deutschen Rechts gewählt hat, wirksam bleibt, wenn er zum Zeitpunkt dieser Teilrechtswahl seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte. Nach Art. 83 Abs. 2 EU-ErbVO kann sich die Wirksamkeit einer früheren Rechtswahl darüber hinaus auch aus dem Heimatrecht des Erblassers ergeben.
Diese Anerkennung muss nicht unmittelbar und ausdrücklich im IPR des Heimatrechts enthalten sein (was mutmaßlich in keinem europäischen IPR der Fall ist). Vielmehr kann sich die Wirksamkeit der Teilrechtswahl auch dann ergeben, wenn das Heimatrecht für Grundbesitz die lex rei sitae anwendet, und zwar im Wege einer Gesamtverweisung, also einschließlich des am Ort der belegenen Sache geltenden IPR.
Art. 83 Abs. 2 EU-ErbVO formuliert, die Rechtswahl sei wirksam, “... wenn sie nach den zum Zeitpunkt der Rechtswahl geltenden Vorschriften des IPR ... in einem Staat, dessen Staatsangehörigkeit er besaß, wirksam ist.“ Die Vorschrift verlangt nicht, dass das IPR des Heimatrechts ausdrücklich die betreffende Rechtswahl anerkennt und für zulässig erklärt. Der Sinn dieser wie auch der anderen Regelungen in Art. 83 EU-ErbVO ist, das Vertrauen eines Bürgers in die Wirksamkeit seiner Verfügungen bezogen auf den Zeitpunkt, zu dem er diese Verfügungen getroffen hat, so weit als möglich zu schützen. Die Bestimmungen sind deshalb in diesem Sinne weit auszulegen. Wenn also ein französischer Staatsbürger oder auch ein Luxemburger oder ein US-Staatsbürger, der als Soldat in meinem früheren Amtsbezirk in Kaiserslautern stationiert war, in Deutschland über Grundbesitz verfügte und für diesen Grundbesitz deutsches Recht gewählt hat, dann wäre diese Rechtswahl nicht nur in Deutschland wirksam gewesen, sondern sie hätte im Ergebnis auch im...