Leitsatz
1. Ist ein Erbverzicht formunwirksam, weil er zwar gem. § 2348 BGB notariell beurkundet, aber entgegen § 2347 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht gegenüber dem persönlich anwesenden Erblasser erklärt worden ist, hat der Erblasser aus dem dem Verzicht zugrunde liegenden Kausalgeschäft einen Anspruch auf Abgabe einer formwirksamen Verzichtserklärung.
2. Bei dem Anspruch aus dem dem Erbverzicht zugrunde liegenden Kausalgeschäft handelt es sich nicht um einen erbrechtlichen Anspruch iSv § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB aF.
3. Stellt der Erbverzicht die Gegenleistung für die Übertragung eines Grundstücks dar, verjährt der Anspruch aus dem Kausalgeschäft gem. § 196 BGB in zehn Jahren.
Oberlandesgerichts Düsseldorf, Urteil vom 20. Dezember 2013 – I-7 U 153/12
Sachverhalt
Mit notariell beurkundetem Übertragungs- und Erb-/Pflichtteilsverzichtsvertrag vom 12.9.1989 übertrug der Kläger der Beklagten, seiner Tochter, das Hausgrundstück E-Str. in F im Wege der vorweggenommenen Erbfolge; die Beklagte erklärte den Verzicht auf jegliche Erbansprüche, Pflichtteilsansprüche, Pflichtteilsergänzungsansprüche und Unterhaltsansprüche. Im Beurkundungstermin war der Kläger nicht persönlich anwesend, sondern durch eine Bevollmächtigte vertreten. Im Jahr 2011 wies der Notar die Parteien darauf hin, dass der Erb- und Pflichtteilsverzicht aus diesem Grund formunwirksam sei. Die Klage auf Abgabe eines erneuten Erb- und Pflichtteilsverzichts hatte vor dem Landgericht Erfolg. Die Berufung der Beklagten wurde zurückgewiesen.
Aus den Gründen
Der Kläger hat, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, aus dem dem (formunwirksamen) Erbverzicht zugrunde liegenden schuldrechtlichen Geschäft einen Anspruch gegen die Beklagte auf eine formwirksame Erklärung des Erbverzichts (BGHZ 37, 319; Schotten in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2010, § 2346 Rn 115 ff; Wegerhoff in MüKo zum BGB, 6. Aufl., § 2346 Rn 22 f). Das zwischen den Parteien geschlossene Kausalgeschäft war insgesamt wirksam; nach allgemeiner Auffassung (Palandt-Weidlich, BGB, 73. Aufl., § 2347 Rn 2 mwN) gilt der Grundsatz, dass der Erblasser persönlich handeln muss, nur für das Verfügungsgeschäft, nicht aber für das schuldrechtliche Kausalgeschäft. Bei Abschluss des Kausalgeschäfts ist daher hinsichtlich der Verpflichtung zur Mitwirkung beim erbrechtlichen Verfügungsgeschäft Erb- bzw. Pflichtteilsverzicht eine Stellvertretung des Erblassers nach den allgemeinen Vorschriften in gleicher Weise wie für den Verzichtenden zulässig. Erklärt der Stellvertreter des Erblassers zugleich den Pflichtteilsverzicht, berührt dessen Unwirksamkeit die Wirksamkeit des Kausalgeschäfts nicht (Weidlich, Anm. zum Beschluss des OLG Düsseldorf vom 21.6.2011 -3 Wx 56/11-, ZEV 2011, 529 ff). Mit Rücksicht auf das Abstraktionsprinzip hat die Nichtigkeit eines Vollzugsgeschäfts grundsätzlich keinen Einfluss auf die Wirksamkeit des Kausalgeschäfts (Schotten, RNotZ 2012, 94 f). Ebenso kann aufgrund des Abstraktionsprinzips die Annahme eines Bedingungszusammenhangs bzw. einer Rechtseinheit im Sinne des § 139 BGB nur ausnahmsweise bejaht werden, wenn konkrete Anhaltspunkte für einen solchen Einheitswillen der Vertragspartner vorliegen. Es genügen weder ein bloßer wirtschaftlicher Zusammenhang noch ein äußerer Zusammenhang durch die Aufnahme beider Rechtsgeschäfte in einer Urkunde oder ein Sicherungsbedürfnis des Verzichtenden, insbesondere zur Sicherung des Erhalts der Abfindungsleistung (Weidlich, aaO; Palandt-Weidlich, aaO, § 2347 Rn 2; Keller, ZEV 2005, 229; Roth in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2010, § 139 Rn 54, 57; aA offenbar OLG Düsseldorf, 3. ZS., ZEV 2011, 529). Teilweise (Schotten in Staudinger, BGB, Neubearbeitung 2010, § 2346 Rn 151; Damrau-Kurze, Erbrecht, 2. Aufl., § 2346 Rn 10) wird eine Verbindung des abstrakten Verfügungsgeschäfts mit dem Kausalgeschäft zu einer vertraglichen Einheit mit der Folge des § 139 BGB für grundsätzlich nicht möglich erachtet. Im vorliegenden Fall könnte man allenfalls darüber nachdenken, ob eine Unwirksamkeit des Kausalgeschäfts auch den dinglichen Erbverzicht (wenn er denn formwirksam erklärt worden wäre) erfassen sollte, nicht jedoch umgekehrt.
Die Beklagte ist nicht berechtigt, nach § 214 Abs. 1 BGB die Leistung zu verweigern, weil der Anspruch des Klägers nicht verjährt ist.
Für den erbrechtlichen Anspruch nach § 197 Abs. 1 Nr. 2 BGB aF galt eine dreißigjährige Verjährungsfrist, die am 1.1.2010 bei Inkrafttreten des ErbVerjRÄndG (vom 24.9.2009) noch nicht abgelaufen war, sodass es sich um einen am 1.1.2010 noch nicht verjährten Anspruch handeln würde, für den die nach neuem Recht geltende 3-Jahres-Frist gemäß Art. 229 § 23 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 EGBGB ab dem 1.1.2010 zu laufen begonnen hätte, die durch die Klageerhebung rechtzeitig gehemmt worden wäre. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 2007, 2174) sind mit "erbrechtlichen Ansprüchen" alle Ansprüche gemeint, die sich "aus" dem mit "Erbrecht" überschriebenen Buch 5 des Bürgerlichen Gesetzbuchs ergeben, wobei auf die rein formale Zugehörigkeit a...