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Dr. Hanspeter Daragan hat sich mit Steuern aus den Blickwinkeln der beiden klassischen Lager beschäftig, so als Angehöriger der Finanzverwaltung zuletzt als Referent einer Oberfinanzdirektion und seit 1985 als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Steuerrecht in Bremen. Dabei ist er immer wieder literarisch eindrucksvoll in Erscheinung getreten. Daher liegt es nahe, einen Beitrag zu seinen Ehren unter ein erbschaftsteuerliches Thema zu stellen, das mit Sicherheit zu Konflikten zwischen den erwähnten Lagern führen wird. Kurz vor Redaktionsschluss dieses Heftes am 8.6.2015 veröffentlichte das Bundesministerium der Finanzen den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vom 1.6.2015. Der Beitrag fasst erste Anmerkungen zu diesem Entwurf zusammen.
I. Chronologie seit dem 17.12.2014
1. Ausgangssituation
Bekanntlich hat sich das BVerfG der in der Vorlage des 2. Senats des BFH vertretenen Auffassung nicht angeschlossen, sondern das Verschonungssystem der §§ 13 a und 13 b ErbStG grundsätzlich als verfassungskonform qualifiziert. Der Bundesfinanzminister wurde daher Anfang Januar 2015 dahingehend zitiert, dass bei der anstehenden Reform der Erbschaftsteuer nur wenig geändert und das BMF unter den Vorgaben "minimalinvasiv und zügig" agieren werde. Das Kabinett sollte kurz nach Ostern den Gesetzesentwurf verabschieden und das Gesetz deutlich vor Jahresende Bundestag und Bundesrat passieren.
2. Eckwerte
Am 27.2.2015 veröffentlichte das BMF das 2-seitige Papier "Neuregelung der Erbschaftsteuer für Unternehmensvermögen – Eckwerte".
Im Vorfeld der Veröffentlichung waren bereits Informationen über Inhalte der Eckwerte durchgesickert, die in der Wirtschaft allgemein, dort insbesondere bei Familienunternehmen, auf deutliche Ablehnung stießen. Nach der Stellungnahme u. a. des Wirtschaftsrates Deutschland bedrohen die Pläne zur Reparatur der Erbschaftsteuer Familienunternehmen. Angesichts dieser massiven Widerstände signalisierte der Bundesfinanzminister seine Bereitschaft zu Korrekturen. Die zum Teil deutliche Kritik an den Eckwerten, die Vielzahl der Fachaufsätze zum Urteil des BVerfG und die zahlreichen Diskussionsbeiträge hatten dazu geführt, dass das Gesetzgebungsverfahren zwischen Bund und Ländern ins Stocken geraten schien.
II. Referentenentwurf vom 1.6.2015
Die Beanstandungen des BVerfG an dem zur Zeit noch geltenden Recht lassen sich unterteilen in die Begründung des Verschonungsziels und der Identifikation der Verschonungsadressaten, die Frage der Ausgestaltung der §§ 13 a, 13 b ErbStG, insbesondere im Hinblick auf die Freistellung von der Lohnsummenkontrolle, das Verwaltungsvermögen sowie missbräuchlichen Gestaltungen einerseits und die Bedürfnisprüfung mit ihren Voraussetzungen und Kriterien andererseits. Wie der Entwurf darauf eingeht, soll in einem ersten Überblick dargestellt werden.
1. Begründung
Die in der mündlichen Verhandlung vom 8.7.2014 vom Ersten Senat des BVerfG geäußerte Kritik, der Gesetzgeber habe bei der Verabschiedung des zur Zeit geltenden Rechts nicht hinreichend begründet, wer warum begünstigt werden soll, greift der Entwurf in überzeugender Weise auf und legt sowohl im allgemeinen Teil der Begründung als auch im besonderen Teil ausdrücklich dar, dass sowohl die inhaber- oder familiengeführten Unternehmen, die Gewerbetreibenden, selbständig Tätigen, die mittelständischen Unternehmen, aber auch Großaktionäre und andere Erwer...