a) Allgemeines
Nach der hM geht es bei der Frage der Beeinträchtigungsabsicht zwischenzeitlich um eine Missbrauchskorrektur. Während der BGH nach Aufgabe seiner Rechtsprechung zur Aushölungsnichtigkeit zunächst auf ein anerkennenswertes lebzeitiges Eigeninteresse des Erblassers an der beeinträchtigenden Verfügung abgestellt hatte, hat er nunmehr klargestellt, dass ein Missbrauch der lebzeitigen Verfügungsbefugnis auch aus anderen Gründen verneint werden kann. Es ist daher im Rahmen einer Missbrauchskorrektur eine Interessensbewertung aus der Sicht eines objektiven Betrachters vorzunehmen. Dabei ist das Erberwartungsinteresse des erbrechtlich bindend Bedachten gegenüber dem Interesse des Erblassers an einer lebzeitigen Verfügungsmöglichkeit abzuwägen.
b) Interessenabwägung und Missbrauchskontrolle
Ob ein schützenswertes Interesse des letztwillig Bedachten bestand, ist durch Gegenüberstellung der jeweiligen Interessenslagen zu ermitteln. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang die Lebenseinstellung der Vertragspartner bei Abschluss des Vertrages, die Absicherung des länger Lebenden, insbesondere die Sicherstellung seiner Versorgung und auch die sog. Bindungsintensität, also inwieweit es den Testierenden jeweils darauf ankam, dass das Vermögen bei den bindend Bedachten ankommt und wie wichtig dies für die Willensentscheidung letztlich war. Bei einem gemeinschaftlichen Testament ist ferner zu berücksichtigen, ob das wesentliche Vermögen dem überlebenden Ehepartner schon immer gehört hat. In dem Fall ist von einer geringeren Bindungsintensität auszugehen. Gleiches gilt auch in den Fällen, in denen der zunächst Bedachte vorentfallen ist und ein ersatzweise Bedachter Erbe wird.
Die Gründe für die lebzeitige Zuwendung können materieller oder immaterieller Art sein. Die Rechtsprechung tendiert dahin, dass das schützenswerte Interesse des Erblassers umso höher ist, je höher der eigennützige Zweck der Zuwendung ist. Dies kann nicht nur dann gegeben sein, wenn es dem Erblasser um die eigene Versorgung geht, sondern bspw. auch dann, wenn er mit der Schenkung einen eigenen Abkömmling, der sich nicht hinreichend selbst versorgen kann, absichern möchte. Eine rein personale Verbundenheit ist nach der Rechtsprechung zur Begründung eines schützenswerten Interesses allerdings nicht ausreichend.
c) Die Absicherung der Unternehmensnachfolge als anerkennenswertes Eigeninteresse
Während es zu der Thematik der Sicherung und Verbesserung der eigenen Altersversorgung zahlreiche Entscheidungen gibt, und dieser wichtige Bestandteil einer jeden Lebensplanung aus Sicht der Rechtsprechung häufig ein zu rechtfertigendes Eigeninteresse des Erblassers begründet, gibt es zu der Frage, ob die Absicherung der Unternehmensnachfolge ein lebzeitig zu rechtfertigendes und vom Vertragserben anzuerkennendes Eigeninteresse darstellt, wenig Urteile. Letztlich findet sich zu dieser Frage lediglich die Entscheidung des BGH vom 26.2.1986 und des OLG Oldenburg vom 5.10.2010. Beide Entscheidungen bejahen grundsätzlich ein lebzeitiges Eigeninteresse zur Absicherung der Unternehmensnachfolge.
Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 26.2.1986 dargelegt, dass die Zuwendung eines Geschäftsanteils an einen befähigten Mitarbeiter als ein anerkennenswertes Eigeninteresse des Erblassers gesehen werden kann, insbesondere dann, wenn der Erblasser den Mitarbeiter halten will. Hinzu kam in der Entscheidung, dass der als Nachfolger zunächst Vorgesehene vorverstorben war und der als Ersatzerbe Eingesetzte aufgrund anderer beruflicher Qualifikation nicht als Nachfolger geeignet war.
Eine ähnliche Fallkonstellation lag der Entscheidung des OLG Oldenburg vom 5.10.2010 zugrunde. Hier war der zunächst bedachte Nachfolger zunächst krankheitsbedingt aus dem Unternehmen ausgeschieden und verstarb vor dem Erblasser. Dieser hatte zur Absicherung der Unternehmensnachfolge, entgegen der erbvertraglich vorgesehenen vermächtnisweisen Zuwendung des Unternehmens an seinen erkrankten Sohn, ersatzweise dessen Abkömmlingen das Unternehmen zu Lebzeiten auf einen anderen Abkömmling übertragen.
Obwohl in beiden der genannten Entscheidungen deutlich zum Ausdruck kommt, dass die Absicherung und Gewährleistung der Unternehmensnachfolge ein zu rechtfertigendes Eigeninteresse darstellt, darf nicht verkannt werden, dass in beiden Entscheidungen aufgrund des jeweiligen Nachrückens eines Ersatzerben und der Tatsache, dass es sich um wesentliches Eigenvermögen des lebzeitig verfügenden Erblassers selbst handelte, von einer geringen Bindungsintensität ausgegangen werden konnte.
Auch wenn die Absicherung der eigenen Unternehmensnachfolge ein, wenn nicht sogar der gewichtige Punkt im Rahmen der Errichtung einer letztwilligen Verfügung darstellt, und dies für den Vertragspartner in den meisten Fällen auch erkennbar ist, darf an dieser Stelle vor einer vors...