1. Grundsätzliches
§ 11 BewG regelt die Bewertung von Wertpapieren und Anteilen. Im Zuge der jüngsten Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts haben sich gerade in diesem Bereich Änderungen ergeben, die entsprechend den Vorgaben des BVerfG stets – also auch dann, wenn tatsächliche Verkaufsvorgänge nicht feststellbar sind – darauf abzielen, den Verkehrswert als Bemessungsgrundlage der Erbschaft- und Schenkungsteuer heranzuziehen. Dies gilt nicht nur für Wertpapiere und Anteile an Kapitalgesellschaften, sondern über § 109 BewG auch für die Bewertung des Betriebsvermögens bzw. von Mitunternehmeranteilen.
Das Gesetz sieht in § 11 BewG sieben Bewertungsverfahren vor, die prinzipiell untereinander in einem bestimmten Rangverhältnis stehen, teilweise jedoch auch – nach der Wahl des Steuerpflichtigen – alternativ angewendet werden können.
Ausgangspunkt ist gemäß § 11 Abs. 1 BewG der Börsenkurs am Bewertungsstichtag (bzw. hilfsweise innerhalb von 30 Tagen vor dem Stichtag). Bewertungsstichtag ist gemäß § 11 ErbStG der Zeitpunkt der Steuerentstehung. Soweit ein Börsenkurs festgestellt werden kann, kommt die Anwendung anderer Bewertungsverfahren nicht in Betracht.
In zweiter Linie wird der Verkehrswert aus Verkäufen unter fremden Dritten innerhalb eines Zeitraums von zwölf Monaten vor dem Bewertungsstichtag abgeleitet (§ 11 Abs. 2 S. 2 1. Fall BewG).
Nur subsidiär, also wenn weder ein Börsenkurs noch zeitnahe Verkäufe feststellbar sind, ist der Wert zu schätzen, und zwar gemäß § 11 Abs. 2 S. 2 2. Fall BewG grundsätzlich unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft. Das vereinfachte Ertragswertverfahren kann gem. § 11 Abs. 2 S. 4 BewG hierbei zur Anwendung kommen (Wahlrecht).
Als Alternative zur Schätzung des Werts unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten ist in § 11 Abs. 2 S. 2 3.Fall BewG die Möglichkeit vorgesehen, eine andere anerkannte, "auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nicht steuerliche Zwecke übliche Methode" heranzuziehen.
Der Substanzwert des Betriebsvermögens (der Kapitalgesellschaft) bildet gem. § 11 Abs. 2 S. 3 BewG grundsätzlich die Wertuntergrenze. Nur soweit die Weiterführung des Unternehmens nicht gewährleistet ist, ist der Liquidationswert als Bewertungsuntergrenze anzusehen.
Anders als bei Einzelunternehmen und mitunternehmerischen Personengesellschaften, ist im Bereich der Kapitalgesellschaften die Frage, welchen Umfang die zu bewertende wirtschaftliche Einheit (das Betriebsvermögen iSv § 18 Nr. 3 BewG) hat, leicht zu beantworten. Denn für Kapitalgesellschaften gilt, dass sämtliche in ihrem Eigentum stehenden Wirtschaftsgüter auch ihrem Betriebsvermögen zuzuordnen sind (§ 97 Abs. 1 Nr. 1 BewG). Demzufolge sind all diese Gegenstände auch in die erbschaftsteuerrechtliche Bewertung mit einzubeziehen.
Ob und inwieweit das Betriebsvermögen der Kapitalgesellschaft auch Verwaltungsvermögen iSv § 13 b Abs. 2 ErbStG umfasst, spielt für die Bewertung bzw. die Anwendung der verschiedenen Bewertungsverfahren keine Rolle.
2. Bewertung von Anteilen an Kapitalgesellschaften, § 11 BewG
a) Ableitung aus Börsenkursen
aa) Tatbestand
Für eine bestimmte Art von Gesellschaftsanteilen, nämlich börsennotierte Aktien, ergibt sich die Art und Weise der Bewertung aus § 11 Abs. 1 BewG. Denn dieser regelt die Bewertung von Wertpapieren und Schuldbuchforderungen, die am Bewertungsstichtag (§ 11 ErbStG) an einer deutschen Börse zum Handel im Regulierten Markt zugelassen sind.
Wertpapiere in diesem Sinne sind Urkunden, die ein Vermögensrecht in der Weise verbriefen, dass das Geltendmachen des Rechts den Besitz der Urkunde erfordert. Außerdem erfasst § 11 Abs. 1 BewG Wertpapiere iSd Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG). Das sind – gleichgültig, ob für sie Urkunden ausgestellt sind oder nicht – u. a. Aktien (gleich welcher Ausgestaltung) deutscher Aktiengesellschaften sowie Anteilsscheine, die von in- oder ausländischen Kapitalgesellschaften oder Investmentgesellschaften ausgegeben werden.
Der Regulierte Markt unterteilt sich in den sog. General Standard und den Prime Standard. Pendant zum Regulierten Markt ist der Freiverkehr bzw. Open Market, bei dem es sich nicht um einen organisierten Markt iSv § 2 Abs. 5 WpHG handelt. Nach § 11 Abs. 1 S. 3 BewG gelten die Bewertungsregeln des § 11 Abs. 1 S. 1 u. 2 BewG aber auch für solche Wertpapiere, die in den Freiverkehr einbezogen sind.
Nicht unter § 11 Abs. 1 BewG fallen solche Anteile, die weder im Regulierten Markt noch im Freiverkehr gehandelt werden.
bb) Rechtsfolgen
(1) Grundsatz: Stichtagskurs
Die im Regulierten Markt bzw. im Freiverkehr gehandelten Aktien werden zwingend mit dem niedrigsten für sie am Stichtag notierten Kurs bewertet. Bei variablen Kursnotierungen kommt es auf die niedrigste am jeweiligen Tag festzustellende variable Notierung nicht nur an einer, sondern an allen in Betracht kommenden inländischen Börsen an.
Die Finanzverwaltung hat zwar diesbezüglich in der Vergangenheit wiederholt die Auffassung vertreten, ...