Zur ersten Frage: Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 1 Abs. 1 der Verordnung Nr. 650/2012 dahin auszulegen ist, dass eine nationale Bestimmung wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehende, wonach beim Tod eines Ehegatten ein pauschaler Zugewinnausgleich durch Erhöhung des Erbteils des überlebenden Ehegatten vorzunehmen ist, in den Anwendungsbereich der Richtlinie fällt.
Vorab ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs aus den Erfordernissen sowohl der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts als auch des Gleichheitssatzes folgt, dass die Begriffe einer Vorschrift des Unionsrechts, die für die Ermittlung ihres Sinnes und ihrer Bedeutung nicht ausdrücklich auf das Recht der Mitgliedstaaten verweist, in der Regel in der gesamten Union eine autonome und einheitliche Auslegung erhalten müssen (Urteil vom 18. Oktober 2016, Nikiforidis, C-135/15, EU:C:2016:774, Rn 28 und die dort angeführte Rechtsprechung), die unter Berücksichtigung nicht nur ihres Wortlauts, sondern auch des Kontexts der Vorschrift und des mit der fraglichen Regelung verfolgten Ziels gefunden werden muss (vgl. u. a. Urteil vom 18. Mai 2017, Hummel Holding, C-617/15, EU:C:2017:390, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).
Die Verordnung Nr. 650/2012 ist gemäß dem Wortlaut ihres Art. 1 Abs. 1 auf die Rechtsnachfolge von Todes wegen anzuwenden. In Art. 1 Abs. 2 der Verordnung werden abschließend die Bereiche aufgezählt, die von ihrem Anwendungsbereich ausgenommen sind; dazu gehören gemäß Buchst. d dieser Vorschrift u. a. die "Fragen des ehelichen Güterrechts". Art. 3 Abs. 1 Buchst. a dieser Verordnung stellt klar, dass die Rechtsnachfolge von Todes wegen "jede Form des Übergangs von Vermögenswerten, Rechten und Pflichten von Todes wegen, sei es im Wege der gewillkürten Erbfolge durch eine Verfügung von Todes wegen oder im Wege der gesetzlichen Erbfolge", umfasst.
Außerdem geht aus dem neunten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 650/2012 hervor, dass sich ihr Anwendungsbereich auf alle zivilrechtlichen Aspekte der Rechtsnachfolge von Todes wegen erstrecken sollte.
Gemäß ihrem siebten Erwägungsgrund soll die Verordnung Nr. 650/2012 die Hindernisse für den freien Verkehr von Personen bei der Durchsetzung ihrer Rechte im Zusammenhang mit einem Erbfall mit grenzüberschreitendem Bezug ausräumen, um das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts zu erleichtern. Insbesondere müssen im europäischen Rechtsraum die Rechte der Erben und Vermächtnisnehmer sowie der anderen Personen, die dem Erblasser nahestehen, und der Nachlassgläubiger effektiv gewahrt werden.
Hierfür sieht die Verordnung Nr. 650/2012 die Einführung eines Europäischen Nachlasszeugnisses vor, das es jedem Erben, Vermächtnisnehmer oder in diesem Zeugnis genannten Rechtsnachfolger ermöglichen muss, in einem anderen Mitgliedstaat seine Rechtsstellung und seine Erbansprüche nachzuweisen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 12. Oktober 2017, Kubicka, C-218/16, EU:C:2017:755, Rn. 59).
Zum Kontext der in Rede stehenden Vorschrift ist festzustellen, dass die Verordnung Nr. 650/2012 gemäß ihren Erwägungsgründen 11 und 12 nicht für Bereiche des Zivilrechts gelten sollte, die nicht die Rechtsnachfolge von Todes wegen betreffen, und insbesondere nicht für Fragen des ehelichen Güterrechts, einschließlich der in einigen Rechtsordnungen vorkommenden Eheverträge, soweit diese keine erbrechtlichen Fragen regeln.
Vorliegend geht aus dem Vorabentscheidungsersuchen hervor, dass nach § 1371 Abs. 1 BGB im Fall einer Beendigung der Zugewinngemeinschaft der gesetzliche Erbteil des überlebenden Ehegatten beim Zugewinnausgleich um ein Viertel der Erbschaft erhöht wird.
Die deutsche Regierung hat in ihren Erklärungen darauf hingewiesen, dass diese die Auseinandersetzung einer ehelichen Gütergemeinschaft betreffende Vorschrift des nationalen Rechts ausschließlich bei Auflösung der Ehe durch den Tod eines Ehegatten anzuwenden ist. So solle eine pauschale güterrechtliche Auseinandersetzung des während der Ehe erwirtschafteten Vermögens dadurch erfolgen, dass der sich aus der Beendigung der Zugewinngemeinschaft durch den Tod eines Ehegatten ergebende Nachteil ausgeglichen wird, ohne dass es einer exakten Feststellung über Bestand und Wert des Anfangs- und des Endvermögens bedürfe.
Wie der Generalanwalt in den Nrn. 78 und 93 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, betrifft § 1371 Abs. 1 BGB gemäß den dem Gerichtshof vorliegenden Informationen nicht die Aufteilung der Vermögenswerte zwischen den Ehegatten, sondern die Rechte des überlebenden Ehegatten an den Gegenständen, die schon zum Nachlassvermögen gezählt werden. Unter diesen Umständen scheint der Hauptzweck der Bestimmung nicht in der Aufteilung des Vermögens oder in der Beendigung des ehelichen Güterstands, sondern vielmehr in der Bestimmung des dem überlebenden Ehegatten im Verhältnis zu den übrigen Erben zufallenden Erbteils zu liegen. Eine solche Vorschrift betrifft daher in erster Linie die Rechtsnachfolge ...