Leitsatz
Vorabentscheidungsersuchen zu folgender Frage: Sind die Artikel 56 und 58 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft dahin auszulegen, dass sie einer nationalen Regelung eines Mitgliedstaats über die Erhebung der Erbschaftsteuer entgegenstehen, die bei dem Erwerb durch Erbanfall eines im Inland belegenen Grundstücks von einer gebietsfremden Person für den gebietsfremden Erwerber nur einen Freibetrag von 2.000 EUR vorsieht, während bei einem Erwerb durch Erbanfall ein Freibetrag von 500.000 EUR gewährt würde, wenn der Erblasser oder der Erwerber zur Zeit des Erbfalls seinen Wohnsitz in dem betreffenden Mitgliedstaat hätte?
FG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Mai 2012 – 4 V 1181/12 A (Erb)
Sachverhalt
I. Die Antragstellerin und ihre beiden Geschwister haben ausweislich des Erbscheins des Amtsgerichts A vom 1.2.2011 ihren am ... 2009 in X (Spanien) verstorbenen Vater zu je 1/3 Anteil beerbt. Die drei Erben sind deutsche Staatsangehörige und wohnen in Spanien. Auch der Erblasser war deutscher Staatsangehöriger und wohnte seit Jahren in Spanien. Er war Eigentümer von drei Grundstücken, zwei in A und eines in B belegen.
Die Grundbesitzwerte der Grundstücke wurden von den zuständigen Finanzämtern auf zusammen 1.284.301 EUR festgestellt. Außerdem war der Erblasser Inhaber von Konten und Depots bei zwei Banken und einer Sparkasse in Deutschland, deren Wert sich nach den eingegangenen Anzeigen zum Todestag auf insgesamt 521.448 EUR belief.
Da die Antragstellerin trotz besonderer Aufforderungen keine Erbschaftsteuererklärung eingereicht hatte, schätzte der Antragsgegner die Besteuerungsgrundlagen und setzte die Erbschaftsteuer für den Erwerb der Antragstellerin von Todes wegen nach ihrem Vater mit Bescheid vom 23.11.2011 auf 63.390 EUR fest. Dabei berücksichtigte er nur die inländischen Grundstücke mit einem Wert von insgesamt 1.284.301 EUR abzüglich einer Pauschale für Erbfallkosten von 10.300 EUR und rechnete den drei Erben den Erwerb zu gleichen Teilen zu. Hiervon zog das Finanzamt einen Freibetrag von 2.000 EUR gemäß § 16 Abs. 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) ab.
Zur Begründung des gegen den Erbschaftsteuerbescheid eingelegten Einspruchs trug die Antragstellerin vor, eine abschließende Entscheidung sei noch nicht möglich, weil die Verkehrswerte des Grundbesitzes auf den Todestag nicht rechtskräftig ermittelt worden seien und deshalb über den Wert des Erbes noch nicht befunden werden könne.
Zudem stehe ihr ein Freibetrag von 400.000 EUR zu. Die Ungleichbehandlung von gebietsansässigen und gebietsfremden Steuerpflichtigen verstoße gegen die Grundfreiheiten. Insoweit werde auf das EuGH-Urteil vom 22.4.2010, C-510/08, verwiesen.
Über den Einspruch hat der Antragsgegner noch nicht entschieden, der Antragstellerin aber mitgeteilt, dass er die Einspruchsbegründung als Antrag nach § 2 Abs. 3 ErbStG ansehe und dass der Erbfall insgesamt als unbeschränkt steuerpflichtig behandelt werde, wobei sich die unbeschränkte Steuerpflicht auf sämtliches inländisches und ausländisches Vermögen erstrecke.
Die am 19.3.2012 beantragte Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Erbschaftsteuerbescheids lehnte der Antragsgegner am 21.3.2012 ab. Mit ihrem am 26.3.2012 beim Finanzgericht eingegangenen Antrag verfolgt die Antragstellerin ihr Begehren weiter, wobei sie sich allerdings nur noch gegen die Nichtgewährung des Freibetrags nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG wendet. Die Antragstellerin beantragt, die Vollziehung des Erbschaftsteuerbescheids des Antragsgegners vom 23.11.2009 auszusetzen.
Der Antragsgegner beantragt, den Antrag abzulehnen, hilfsweise eine Aussetzung der Vollziehung nur gegen Sicherheitsleistung zu gewähren. (...)
Aus den Gründen
Der Antrag hat weitgehend Erfolg. Das Finanzgericht kann gemäß § 69 Abs. 3 S.1 iVm § 69 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die Vollziehung eines angefochtenen Bescheides ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel sind nach ständiger BFH-Rechtsprechung anzunehmen, wenn bei summarischer Prüfung des Verwaltungsakts gewichtige Umstände zutage treten, die Unentschiedenheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung entscheidungserheblicher Tatfragen bewirken (s. zuletzt BFH Beschluss vom 24.2.2012, IX B 146/11, DStR 2012, 599 ff).
Bei diesem Prüfungsmaßstab bestehen an der Rechtmäßigkeit des Erbschaftsteuerbescheids des Antragsgegners vom 23.11.2009 ernstliche Zweifel, soweit mit ihm mehr als 1.722 EUR Erbschaftsteuer festgesetzt worden ist.
Die persönliche Steuerpflicht der Antragstellerin ergibt sich aus § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG. Weder der Erblasser noch die Antragstellerin waren zum Zeitpunkt der Entstehung der Steuer, dem Todestag des Erblassers (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG), Inländer. Sie hatten beide keinen Wohns...