Als "zweifelhaft"[30] gilt eine Nachlassverbindlichkeit, deren Bestand ungewiss oder deren Verwirklichung unsicher[31] ist, weil unklar bleibt, "ob sie rechtlich besteht oder ob sie tatsächlich verwirklicht werden kann".[32] Die Zweifelhaftigkeit kann also im rechtlichen wie im tatsächlichen Bereich liegen. Als rechtlich zweifelhaft gilt die Verbindlichkeit, wenn der Gläubiger eine Forderung gegen den Erben oder den Nachlass gerichtlich geltend gemacht hat, solange sich der Erbe mit Rechtsmitteln zur Wehr setzt.[33] Dann müsste eine Verbindlichkeit, die gerichtlich durchgesetzt wurde und gegen die es kein Rechtsmittel (mehr) gibt, als unzweifelhaft angesehen werden. Dieser Schluss wird offenbar überwiegend auch gezogen.

Das kann aber nicht genügen, denn der Erblasser kann die Verbindlichkeit nach der gerichtlichen Entscheidung noch zu Lebzeiten ganz oder teilweise erfüllt haben, auch durch Aufrechnung. Der Gläubiger könnte auf die Forderung gegenüber dem Erblasser oder dem Erben verzichtet haben oder er könnte schlicht davon absehen, die Forderung geltend zu machen. Der Verzicht des Berechtigten auf Erfüllung soll aber den Erben und dem Pflichtteilsberechtigten "gleicherweise zugutekommen".[34] Wer Manipulationen befürchtet, müsste auf dem Nachweis der Erfüllung bestehen, insbesondere wenn zwischen dem Erblasser und dem Dritten eine enge Beziehung besteht. Also kommt es auf den rechtlichen Bestand allein nicht an, sondern mindestens auch auf die Erfüllung. Andererseits rechtfertigt selbst die Zahlung nicht, eine Nachlassverbindlichkeit anzunehmen; Voraussetzung ist vielmehr, dass die Verbindlichkeit auch nachweisbar bestanden hat.[35]

[30] Soergel/Dieckmann, 13. Aufl. 2002, Erbrecht 3, § 2313 Rn 7: Vieles "unklar und streitig"; ähnlich Kuchinke, § 37 VII, 5a mit Fußn. 277; siehe auch Staudinger/Haas (2006), § 2313 Rn 10 "Interimswerte"; Riedel in: Mayer/Süß/Tanck/Bittler/Wälzholz, § 5 Rn 197; J. Mayer in: Bamberger/Roth, 3. Aufl. 2012, § 2313 Rn 3.
[31] Staudinger/Haas (2006), § 2317 Rn 10; Lindner in: Frieser, Fachanwaltskommentar (FA), Erbrecht, 3. Aufl. 2011, § 2313 Rn 6.
[32] BGH, WM 1977, 1410, 1411; ähnlich schon RG, SeuffA Nr. 68, 237; siehe auch Soergel/Dieckmann, § 2313 Rn 8.
[33] Soergel/Dieckmann, § 2313 Rn 8; Staudinger/Haas (2006), § 2313 Rn 11; Lindner in: FA, § 2313 Rn 6; Joachim, Rn 190; missverständlich Damrau/Riedel, Praxiskommentar Erbrecht, 2. Aufl. 2011, § 2313 Rn 6.
[34] V. Olshausen, DNotZ 1979, 723; aA G. Müller in Burandt/Rojahn, § 2311, Rn 25; Palandt/Weidlich, Bürgerliches Gesetzbuch, 71. Aufl. 2012, § 2311 Rn 3: nur wenn "eine zweifelsfreie Erblasserschuld dem Erben nach dem Erbfall erlassen wird"; ebenso Joachim in: Hausmann/Hohloch, Kap. 4, Rn 61; Zweifel auch bei Rittner, DNotZ 1958, 181, 194 mit Fußn. 36 a.
[35] OLG Frankfurt/M, ZEV 2003, 364.

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