Gerhard Ruby, Andreas Schindler, Alexander Wirich (Hrsg.)
2. Auflage 2014, 148 Seiten, zerb verlag, 39 EUR
ISBN: 9783941586918
Im Rahmen der erbrechtlichen Beratungspraxis gehört die Gestaltung eines Behindertentestaments zu den komplexesten und schwierigsten Gestaltungen. Einerseits soll das Behindertentestament das Vermögen in der Familie erhalten und vermeiden, dass der Sozialhilfeträger auf dieses Vermögen zugreifen kann. Andererseits soll dem behinderten Kind nach dem Tod seiner Eltern ein über die normalen Sozialleistungen hinausgehender Lebensstandard ermöglicht werden, indem es zusätzliche Zuwendungen aus dem Nachlass erhält, die nicht vom Sozialhilfeträger weggenommen werden können.
Knapp sechs Jahre nach Erscheinen der Erstauflage wurde nunmehr die zweite Auflage hierzu veröffentlicht, bei der laut den Autoren insbesondere der sozialrechtliche Bereich umfassend überarbeitet und die Änderungen im Pflichtteilsrecht – vor allem zu § 2306 BGB – eingearbeitet wurden.
Das Werk besteht aus insgesamt sechs Kapiteln und einem ausführlichen, aber übersichtlichen Stichwortverzeichnis und besticht durch eine detaillierte Gliederung innerhalb der jeweiligen Kapitel.
Inhaltlich hat das Autorentrio die Bearbeitung des Buches dergestalt unter sich aufgeteilt, dass Ruby die Einleitung im ersten Kapitel und das Kapitel zu den Hinweisen zur Abwicklung "klassischer" Behindertentestamente, Dr. Schindler die Kapitel, die sozial- und erbrechtliche Grundlagen betreffen und Dr. Wirich die betreuungsrechtlichen Grundlagen und die Musterformulierungen im letzten Kapitel bearbeitet hat. Inhaltlich haben die Autoren ihre jeweiligen Kapitel aufeinander abgestimmt, was sich positiv durch zahlreiche Verweise bemerkbar macht.
Im Rahmen der Einleitung wird zunächst auf die Zielsetzung und die Schwierigkeiten bei der Gestaltung eines Behindertentestaments eingegangen sowie ein Überblick über die in der Praxis bekannten Gestaltungsmöglichkeiten gegeben, wobei Ruby hier eine Unterscheidung zwischen zu empfehlenden und nicht zu empfehlenden Lösungsmodellen trifft (§ 1 Rn 8 ff).
Danach stellt Schindler die sozial- und erbrechtlichen Grundlagen dar. Bei den sozialrechtlichen Grundlagen wird auf die zunächst wichtige Unterscheidung zwischen Einkommen iSv § 82 SGB XII und Vermögen iSv § 90 SGB XII nach der sog. "Zuflusstheorie" (§ 2 Rn 11 ff) eingegangen, darauf, welche Ansprüche bei Leistungserbringung übergeleitet werden können, sowie auf die Kostenersatzvorschriften der §§ 102 und 103 SGB XII. Das ausführliche Kapitel über die erbrechtlichen Grundlagen enthält nicht nur Ausführungen zu den "Klassikern", wie z. B. die Sittenwidrigkeitsrechtsprechung des BGH oder den Gefahren durch das Heimgesetz, vielmehr werden dem Praktiker – unter Darstellung der aktuellsten Rechtsprechung und dem Meinungsstand in der Literatur – Antworten auf zahlreiche Fragestellungen, die sich im Rahmen der Gestaltung bei Behindertentestamenten ergeben, beantwortet.
Steht das behinderte Kind unter Betreuung, ist neben den sozial- und erbrechtlichen Vorschriften auch das Betreuungsrecht zwingend zu beachten. Wirich geht dabei auf die Problematik der Annahme/Ausschlagung der Erbschaft durch den Betreuer ein und die bestehenden Interessenkonflikte, wenn der Betreuer zugleich Miterbe und/oder Nacherbe bzw. und/oder Testamentsvollstrecker ist.
Ruby gibt im fünften Kapitel dann noch Hinweise für die Abwicklung von Behindertentestamenten nach dem Erbfall.
Abgerundet wird das Buch mit dem Kapitel "Musterformulierungen", in dem drei ausführliche Testamentsmuster sowie ein Erbauseinandersetzungsvertrag vorgelegt werden, die die Autoren aus ihrer Praxis heraus entwickelt haben.
Das Werk besticht durch die Praxiserfahrung des Autorentrios. Es ist kein klassisches Lehrbuch, sondern ein praxistauglicher Leitfaden, der sehr zu empfehlen ist.
Autor: Maria Demirci
Maria Demirci, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht, München
ZErb 8/2014, S. 239 - 240