Der Kommissionsvorschlag zur Erbrechtsverordnung vom November 2009 enthielt keine Vorschrift zu dem auf die Formwirksamkeit der Verfügungen anwendbaren Recht. Beweggrund für diese Zurückhaltung war offenbar der Umstand, dass eine Mehrheit der Mitgliedstaaten das Haager Testamentsformübereinkommen bereits ratifiziert hatte und man eine Kollision der Regeln der VO mit dem Übereinkommen vermeiden wollte. In Reaktion auf in der Literatur nahezu einhellig geäußerte Kritik an dieser Regelungslücke nahm man in den jetzigen Art. 27 EUErbVO eine Regelung auf, die – wie schon Art. 26 EGBGB – das Haager Testamentsübereinkommen weitgehend kopiert. Eine Kollision mit den Regelungen des Abkommens auf Seiten der Staaten, die das Haager Testamentsformübereinkommen ratifiziert haben, wird nun dadurch vermieden, dass für diese Mitgliedstaaten Art. 75 Abs. 1 UA 2 EUErbVO ausdrücklich den Anwendungsvorrang des Haager Testamentsformübereinkommens feststellt.
Ähnlich wie Art. 26 Abs. 4 EGBGB erstreckt auch Art. 27 Abs. 1 EUErbVO den Anwendungsbereich der dem Haager Testamentsformübereinkommen entlehnten Anknüpfungsregeln auf jede "Verfügung von Todes wegen". Art. 3 Abs. 1 lit. d EUErbVO definiert die "Verfügung von Todes wegen" als "ein Testament, ein gemeinschaftliches Testament oder ein Erbvertrag". Art. 27 Abs. 1 S. 1 EUErbVO lautet nun wie folgt:
(1) Eine schriftliche Verfügung von Todes wegen ist hinsichtlich ihrer Form wirksam, wenn diese:
a) dem Recht des Staates entspricht, in dem die Verfügung errichtet oder der Erbvertrag geschlossen wurde,
b) dem Recht eines Staates entspricht, dem der Erblasser oder mindestens eine der Personen, deren Rechtsnachfolge von Todes wegen durch einen Erbvertrag betroffen ist, entweder im Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung bzw. des Abschlusses des Erbvertrags oder im Zeitpunkt des Todes angehörte,
c) dem Recht eines Staates entspricht, in dem der Erblasser oder mindestens eine der Personen, deren Rechtsnachfolge von Todes wegen durch einen Erbvertrag betroffen ist, entweder im Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung oder des Abschlusses des Erbvertrags oder im Zeitpunkt des Todes den Wohnsitz hatte,
d) dem Recht des Staates entspricht, in dem der Erblasser oder mindestens eine der Personen, deren Rechtsnachfolge von Todes wegen durch einen Erbvertrag betroffen ist, entweder im Zeitpunkt der Errichtung der Verfügung oder des Abschlusses des Erbvertrags oder gewöhnlichen Aufenthalt hatte, oder
e) dem Recht des Staates entspricht, in dem sich unbewegliches Vermögen befindet, soweit es sich um dieses handelt.
Die Erstreckung der dem Hager Testamentsformübereinkommen entlehnten Kollisionsnormen auf Erbverträge entspricht der autonomen gesetzlichen Regelung in einigen Ländern vor dem Inkraftsetzen der VO. Beim Vergleich mit den Regelungen der vorgenannten Länder fällt aber auf, dass in der EUErbVO die Erstreckung der Regeln des Testamentsformübereinkommens auf die Erbverträge nicht durch eine Verweisung auf die entsprechenden Regeln erfolgt. Die Erbverträge werden vielmehr in jede der einzelnen Verweisungsnormen mit aufgenommen. Die dem Testamentsformübereinkommen entlehnten Regeln werden also neu formuliert. Dabei werden die Regeln inhaltlich fortgebildet. Die Anknüpfung wird dahingehend modifiziert, dass es für die Formwirksamkeit eines mehrseitig verfügenden Erbvertrags künftig genügen wird, dass das entsprechende personenbezogene Anknüpfungsmoment (Staatsangehörigkeit, Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt, Art. 27 Abs. 1 S. 1 lit. b, c, d) durch "mindestens eine der Personen, deren Rechtsnachfolge von Todes wegen durch einen Erbvertrag betroffen" ist, verwirklicht wird. Die Beziehung einer einzigen am Erbvertrag beteiligten Person zu einer Rechtsordnung, die den Erbvertrag für formwirksam erklärt, wirkt also auch für die Verfügungen der anderen Erblasser, die zu diesem Staat keine Beziehungen haben.
Das ist zum einen rechtspolitisch bedenklich. Die am Vertragsschluss beteiligten anderen Erblasser geraten unter Umständen in eine erbvertragliche Bindung, auch wenn sie nach den ihnen bekannten Rechtsordnungen davon ausgehen konnten, dass keine formwirksame Vereinbarung vorliegt. Der von einigen Rechtsordnungen wegen der weitreichenden Auswirkungen auf Verfügungen von Todes wegen und unter Lebenden durch eine notarielle Beurkundung vorgesehene Schutz wird so durch die Erbrechtsverordnung ausgehebelt. Anders als bei einem Testament können die Beteiligten eine voreilig getroffene Verfügung nicht durch eine erneute Verfügung aus der Welt schaffen, denn einer abweichen Verfügung stände die Bindungswirkung entgegen.
Eine weitere Konsequenz dieser Regelung zeigt sich in unserem Beispielfall: Würde Werner am 3. September 2015 – also nach dem Anwendungsstichtag für die Erbrechtsverordnung – versterben, wird sich das auf die Formwirksamkeit des Erbvertrags anwendbare Recht – ungeachtet seines Abschlusses vor dem Anwendungsstichtag für die Erbrechtsverordnung am 16. August 2015 (Art. 83 Abs. 1 EUErbV...