Die Einführung des Europäischen Nachlasszeugnisses spiegelt die Entscheidung des europäischen Gesetzgebers gegen die Option wider, die Zirkulationsfähigkeit von nationalen Erbnachweisen durch eine Verpflichtung zur Anerkennung zu fördern. Dem liegt die Erkenntnis zugrunde, dass die jeweiligen Verfahren zur Erteilung von nationalen Erbnachweisen derart unterschiedlich ausgestaltet sind und insbesondere die mitgliedstaatlichen Erbnachweise in ihrer Vielfalt und ihren Rechtswirkungen derart voneinander abweichen, dass sie für eine europaweite Anerkennungsregel nicht geeignet sind.
Das Europäische Nachlasszeugnis kann nur ausgestellt werden, wenn ein Fall mit Auslandsbezug vorliegt. Ist dies nicht der Fall, kann die Erbfolge nur mit Nachweisen erfolgen, die das nationale Recht vorsieht.
Liegt ein Erbfall mit Auslandsbezug vor, stellt sich die Frage, ob neben einem Europäischen Nachlasszeugnis oder anstelle eines solchen ein nationaler Erbnachweis erteilt werden kann und vice versa. Die Antwort auf die Frage ist wie zahlreiche in diesem Zusammenhang auftretende Fragen umstritten.
Gegen die alternative oder gleichzeitige Erteilung von nationalem Erbnachweis und Europäischem Nachlasszeugnis werden die Gefahren für den Rechtsverkehr ins Feld geführt, die durch inhaltlich divergierende nationale und europäische Erbnachweise entstehen können.
Ihrem Wortlaut zufolge lässt die Verordnung demgegenüber die Möglichkeit offen, neben dem Europäischen Nachlasszeugnis nationale Erbnachweise zu erteilen. In Erwägungsgrund 67 heißt es, dass das Zeugnis entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip nicht die innerstaatlichen Schriftstücke ersetzen soll, die gegebenenfalls in den Mitgliedstaaten für ähnliche Zwecke verwendet werden, wie z. B. Erbscheine.
Zahlreiche Fallkonstellationen sind Beleg dafür, dass nationale Erbnachweise unter dem Gesichtspunkt der Praktikabilität und Bürgerfreundlichkeit unverzichtbar sind:
Dies gilt beispielsweise, wenn bei nur geringfügigem Auslandsbezug die Erteilung eines Europäischen Nachlasszeugnisses zwingend vorgeschrieben würde. Man denke an den Fall, dass von den Erben die Löschungsbewilligung einer Grundbucheintragung (Grundpfandrecht) bewilligt werden soll, im Übrigen aber kein Bezug zu dem Land besteht, in dem der belastete Grundbesitz belegen ist. Auch in diesem Fall könnte eine unverhältnismäßige Belastung für den Gläubiger der Löschungsbewilligung entstehen, wenn er darauf verwiesen würde, ein Europäisches Nachlasszeugnis zu erwirken als Voraussetzung für die Erteilung einer Löschungsbewilligung. (Erblasser ohne Rechtswahl zugunsten des deutschen Rechts verstirbt mit letztem gewöhnlichen Aufenthalt in Italien, hat seinem in Deutschland lebendem Sohn und Alleinerben ein Darlehen gewährt, das im Grundbuch abgesichert worden ist.)
Praktisch bedeutsam sind sodann Fälle, in denen beispielsweise Deutsche ihren Lebensabend im Ausland verbringen, deren (wesentliches) Vermögen und deren Erben aber in Deutschland sind. In diesen Fällen würde eine Zuständigkeitskonzentration in dem Sinne, dass alle Erbnachweise unter Kapitel II der ErbVO fallen, missliche Konsequenzen mit sich bringen: Die Erteilung eines (gegenständlich beschränkten) Erbscheins wäre mangels internationaler Zuständigkeit nicht mehr möglich. Die Erben hätten das Nachsehen. Der Erblasser kann selbst bei einer Wahl des deutschen Erbstatuts nicht sicher sein, dass die Zuständigkeit eines deutschen Nachlassgerichts gemäß Art. 7 ErbVO begründet werden kann, da diese Vorschrift weitere Voraussetzungen aufstellt, die nicht ohne Weiteres gegeben sein werden. Auch eine Prorogation gemäß Art. 5 ErbVO iVm Art 7 ErbVO ist kein sicheres Mittel, um zu einem sachgerechteren Ergebnis zu kommen, da seine Voraussetzungen zu unscharf formuliert sind. Insbesondere ist unklar, wer die betroffenen Parteien sind, die die Gerichtsstandvereinbarung treffen müssten, und ob darüber hinaus die für eine entsprechende Vereinbarung erforderliche Kooperationsbereitschaft der betroffenen Parteien gewährleistet ist.
Eine Zuständigkeitskonzentration für die Erteilung von nationalen Erbnachweisen in Anlehnung an die Zuständigkeit für die Erteilung von Nachlasszeugnissen könnte schließlich auch zur fehlenden Durchsetzbarkeit von Ansprüchen führen, weil relevante Vorfragen unterschiedlich beantwortet werden: Wird beispielsweise eine Lebenspartnerschaft eines im Ausland lebenden deutschen Lebenspartners mit Vermögen in Deutschland von den Gerichten des Aufenthaltslandes (wie z. B. in Polen) nicht anerkannt, würde das gesetzliche Erbrecht des Lebenspartners nach § 10 LPartG leerlaufen. Hier droht ein Wertungswiderspruch zu Art. 17 b Abs. 1 S. 2 EGBGB sowie Art. 23 Abs. 2 lit. b ErbVO. Die Option, einen Erbschein in Deutschland beantragen zu können, würde hier Abhilfe schaffen.
Aus der Sicht des deutschen Gesetzgebers ist auch zu beachten, dass bei Bejahung einer Zuständigkeitskonzentration gemäß Art. 4 ff ErbVO eine Grundbuchberichtigung nur noch gegen Vorlage eines N...