1. Eingeschränkter Amtsermittlungsgrundsatz
Die Ausstellungsbehörde überprüft nach Eingang des Antrags auf Zeugniserteilung die vom Antragsteller übermittelten Angaben, Erklärungen, Schriftstücke und sonstigen Nachweise. Bei der Antragsprüfung führt die Ausstellungsbehörde von Amts wegen die für die Überprüfung erforderlichen Nachforschungen durch, allerdings nur, falls ihr eigenes Recht dies vorsieht und zulässt, Art. 66 Abs. 1 Satz 2.
Bei der Antragsprüfung gilt der Amtsermittlungsgrundsatz damit nur, soweit dieser Grundsatz Teil des von der Ausstellungsbehörde angewandten Verfahrensrechts ist. Kennt die lex fori keinen Amtsermittlungsgrundsatz, fordert die Ausstellungsbehörde den Antragsteller auf, die Nachweise vorzulegen, die sie für erforderlich erachtet.
2. Anhörung und öffentliche Bekanntmachung
Durch Anhörung der Beteiligten und öffentliche Bekanntmachung gemäß Art. 66 Abs. 4 soll dem Grundsatz des rechtlichen Gehörs Rechnung getragen werden.
Die Ausstellungsbehörde ist gehalten, alle erforderlichen Schritte zu unternehmen, um die Berechtigten von der Beantragung eines Zeugnisses zu unterrichten. Sie hat, falls dies für die Feststellung des zu bescheinigenden Sachverhalts erforderlich ist, jeden Beteiligten, Testamentsvollstrecker oder Nachlassverwalter anzuhören. Darüber hinaus hat sie durch öffentliche Bekanntmachung anderen möglichen Berechtigten Gelegenheit zu geben, ihre Rechte geltend zu machen.
Probleme für die Ausgestaltung der nationalen Ausführungsgesetze zur ErbVO bringt die Frage mit sich, welche Anforderungen an die öffentliche Bekanntmachung gestellt werden müssen, durch die den anderen möglichen Berechtigten Gelegenheit gegeben werden soll, ihre Rechte geltend zu machen.
Fraglich ist insbesondere, in welcher Form die Bekanntmachung zu erfolgen hat, in welchem Staat bzw. in welchen Staaten sie vorzunehmen ist, in welcher Sprache die Bekanntmachung abzufassen ist, ob eine Frist abzuwarten ist, die durch die Bekanntmachung in Lauf gesetzt wird und vor deren Ablauf ein Zeugnis nicht erteilt werden darf, und wie lange eine solche Frist gegebenenfalls sein muss.
Grundsätzlich werden diese Fragen von der lex fori zu beantworten sein. Im Interesse eines effektiven Rechtsschutzes darf das nationale Verfahrensrecht aber keine Ausgestaltung der öffentlichen Bekanntmachung wählen, die evident nicht geeignet ist, das durch die Verordnung angestrebte Ziel zu erreichen.
Soll die öffentliche Bekanntmachung effektiv dazu beitragen, dass kein unrichtiges Zeugnis erteilt wird, erscheint es geboten, die Erteilung eines Zeugnisses davon abhängig zu machen, dass die öffentliche Bekanntmachung für eine Mindestdauer erfolgt ist. Bei der Bestimmung der Mindestdauer wird zu berücksichtigen sein, dass bei grenzüberschreitenden Erbfällen Tatsachen- und Rechtslage typischerweise schwieriger für Berechtigte zu beurteilen und zu prüfen sind als bei reinen Inlandsfällen. Daher ist eine Mindestfrist für die öffentliche Bekanntmachung zu wählen, die über die Frist hinausgeht, die für eine etwaige Anhörung in reinen Inlandsfällen vorgesehen ist.
Hat die Ausstellungsbehörde Anhaltspunkte dafür, dass ein möglicher Berechtigter iSv Art 66 Abs. 4 S. 2 aE seinen (unbekannten) Wohnsitz möglicherweise im Ausland hat, liegt es nicht fern, eine öffentliche Bekanntmachung im Ausland zu fordern.